ärzte, streiks etc.
: Der zähe Tod des Krankenhaus-Pop

Der Beruf des Arztes ist ja ein Genre für sich. In Literatur, Film und Pop wurde auf vielfältigste Weise an der erotischen Macht des Weißkittels gestrickt, die sich immer schon – „Doctor, doctor, can’t you feel a burning“ – irgendwo zwischen großer Einfühlsamkeit und rigidem Wissen um die richtige Behandlung, zwischen protestantischem Arbeitsethos und dekadentem Luxus im Privatleben, zwischen Aseptik und Lust an der Beschmutzung ebendieser auspendelte.

Man denke nur an die Arztromane der Nachkriegszeit. An den fiesen Nazi-Zahnarzt Lawrence Olivier in „Marathon-Mann“. An das riesige Pornosegment der Arzt-und-Krankenschwester-Stoffe. An George Clooney aus „Emergency Room“. An Autoren wie Gottfried Benn bis Rainald Goetz. An Golfklubs, höhere Töchter und den unbedingten Willen zur Chefarztbehandlung.

Beim Thema Arzt hörte die Bescheidenheit eben immer schon auf, was unter anderem dazu führte, dass noch in den 90ern etwa die Hälfte meines Abi-Jahrgangs Medizin studieren wollte, wie ihre Eltern. Dieser Krankenhaus-Pop stirbt jetzt einen zähen Tod: Ärzte sind nur noch Interessenvertreter ihrer selbst mit Trillerpfeifen in der „Tagesschau“. Hauptdarsteller haben jetzt Namen wie Frank Ulrich Montgomery. Der Marburger Bund klingt wie Ver.di und „Beds are burning“. Die Grundversorgung gilt als gesichert, aber das interessiert schon keinen mehr.

Arzt, heile dich selbst, lautete der neutestamentarische Slogan, mit dem der bereits in der Antike mythisch überhöhten Figur des Heilers (Jesus etc.) wieder ein bisschen Demut eingeimpft werden sollte. Gemeint war damit zum Beispiel in Platons Idealstaat, dass der gute Arzt möglichst viele Krankheiten am eigenen Leib erlebt haben sollte, um sie später besser therapieren zu können.

Zu einem einzigen Interessenvertreter der einstigen Jahrgangshälfte habe ich immer noch Kontakt. Er ist Kinderarzt in einer Kieler Klinik geworden und die Telefonate inzwischen die reinsten Gesprächsfallen. Mein alter Freund, der Arzt, ist statt Berufsweiser, Sportwagenfahrer oder Schwesternaufreißer zu einer Schallplatte geworden, die bei den Evergreens „Ich halte es hier nicht mehr aus“ und „Ich geh in die Forschung / USA / oder beides“ einen Sprung hat. Man möchte ihm helfen, zum Beispiel, indem man selbst möglichst lange gesund bleibt. Oder ihn zum Star einer neuen Krankenhaus-Soap macht, die das Ganze heillos ironisiert.

ANDREAS MERKEL