Investoren spielen Monopoly

Ausländische Immobilienfonds kaufen tausende Wohnungen auf. Und die Privatisierungswelle in Berlin geht weiter. Warum das Wohnungsgeschäft so profitabel ist – und was es für die Mieter heißt

VON TORSTEN GELLNER

Berlin ist Stralsund. Zumindest mietmäßig: „Investoren aus den USA oder Großbritannien bekommen leuchtende Augen, wenn sie sehen, wie günstig Berlin ist. Die Mieten bewegen sich hier auf dem Niveau einer Kleinstadt wie Stralsund“, sagt Jürgen Michael Schick, Pressesprecher des Immobilienverbands Deutschland. Er kann gut verstehen, dass immer mehr ausländische Investoren im großen Stil Berliner Wohnungen aufkaufen. „Der Zeitpunkt für solche Investments ist außerordentlich gut“, urteilt der Experte. „Die Mieten werden hier nicht immer so niedrig bleiben.“

Berlin ist Hauptstadt der Immobiliendeals. In keiner deutschen Stadt wurden in den vergangenen fünf Jahren mehr Wohnungspakete gehandelt, hat der Immobilienberater BulwienGesa ermittelt. Ein Investor, der kräftig zugeschlagen hat, ist die Fondsgesellschaft Cerberus und Whitehall. Die Gruppe hatte im Jahr 2004 die 66.000 Wohnungen der zuvor landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GSW gekauft.

Wenn man Hartmann Vetter, den Hauptgeschäftsführer vom Berliner Mieterverein, auf diesen Investor anspricht, kommt ihm sofort das Wort von der Heuschrecke über die Lippen. Eine riesige „Geldvermehrungsmaschinerie“ sei das Ganze, meint Vetter. Und er zählt auf, mit welchen Mitteln die neuen Eigentümer der GSW die Rendite für ihre Anleger sichern: „Die Spielräume für Mieterhöhungen werden voll ausgeschöpft.“ So seien die Mieten einer Wohnanlage in Steglitz-Zehlendorf kurz nach der Privatisierung um 20 Prozent angehoben worden. „Beliebt sind auch unsinnige Sanierungen, um die Mieten noch mehr anzuheben.“ Und schließlich noch das schnelle „Drehen“, wie Vetter es nennt: der lukrative Verkauf von Wohnungspaketen an andere Investoren.

Immobilienexperte Jürgen Michael Schick bewertet die Situation freilich etwas anders. Die „Wertveränderungsrendite“, sprich das Verteuern und Weiterverkaufen der Wohnungen, stehe gar nicht im Mittelpunkt der Fondsstrategen. Das eigentliche Geschäft werde über den so genannten Leverage-Effekt gemacht. „Die Immobilieneinkäufe werden nur zu etwa zehn Prozent aus Eigenkapital finanziert, der Rest stammt aus günstigen Krediten“, erklärt Schick. „Die Zinsen sind momentan so niedrig, dass allein durch die laufenden Mieteinnahmen eine ordentliche Rendite erzielt werden kann.“ Der Wohnungsleerstand, der in Berlin nicht gerade knapp ist, sei dabei einkalkuliert. So lassen sich laut Schick Renditen in zweistelliger Höhe auf das eingebrachte Eigenkapital erzielen.

Auf der Leverage-Schiene will auch der gerade ins Leben gerufene Fonds Puma Brandenburg Limited fahren. Eine Milliarde britische Pfund will der britisch-amerikanische Investor vor allem in Berliner Wohnungen schießen. „Unser Investment ist auf 10 bis 15 Jahre angelegt“, sagt der aus London stammende Fonds-Chef Peter Freeman. Dafür suche man nach Objekten in „guter Wohngegend“ mit „guter Bausubstanz“. Dabei hat er besonders schicke Lagen in der Innenstadt im Blick.

Was den Londoner am Immobilienmarkt Berlins zusätzlich reizt, ist die fast konkurrenzlos niedrige Quote an Wohnungseigentümern. Die beträgt hier gerade mal 13 Prozent. Zum Vergleich: In Freemans Heimatstadt liegt sie bei knapp 60 Prozent. Die Zahl der Eigentümer wird in naher Zukunft deutlich wachsen, glaubt der Fonds-Chef. Dazu müssten die Berliner aber erst über das entsprechende Einkommen verfügen. Das werden sie, ist sich Freeman sicher. „In den nächsten zehn Jahren wird Berlin aufblühen und zu Städten wie München oder Frankfurt am Main aufschließen.“

Diese Zuversicht freut Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). „Internationale Investoren sehen uns auf einer so genannten 6-Uhr-Position, das heißt im Beginn eines Aufschwungs“, sagte sie unlängst auf der Immobilienmesse MIPIM in Cannes. Will sagen: Wenn die Heuschrecken im Anflug sind, hat der Senat gute Arbeit geleistet.