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: „The Hills Have Eyes“

In seinem berühmten Essay „An Introduction to the American Horror Film“ beschrieb der Filmtheoretiker Robin Wood die Kannibalenfamilie in Wes Cravens „The Hills have Eyes“ (1977) als „Rückkehr des Verdrängten“. In der Wüste von Arizona sah sich die amerikanische Kernfamilie den Attacken ihres negativen Spiegelbildes ausgesetzt: einer Gruppe von Mutanten, die außerhalb der zivilisatorischen Regeln all die Triebe auslebte, die ihr bürgerlicher Widerpart längst domestiziert hatte. Der 70er-Jahre-Horrorfilm war reich an solchen Bildern, von George Romeros Zombiemassen bis zum Leatherface in Tobe Hoopers „The Texas Chainsaw Massacre“. Das genuin Amerikanische dieser kurzen Schockwelle war, wie sie ein Gefühl von fundamentalem Unbehagen auf die amerikanische Landschaft zurückprojizierte. Thematisch schloss sich ein Kreis von Cravens Suburbia-Schocker „Last House on the Left“ (1972) bis zu Tobe Hoopers Mittelklasse-Horror „Poltergeist“ (1982). Dazwischen begab sich der amerikanische Horrorfilm kurz mal in die Wüste. Das Schockierende an Filmen wie „The Texas Chainsaw Massacre“ oder Cravens Frühwerk war gerade die Irrationalität der Attacken, die Terrorqualitäten, die in der kurz darauf aufkommenden Slasher- und Zombiefilm-Welle nur noch anhand reiner Gore-Werte bemessen wurden.

Alexander Ajas Remake von „The Hills Have Eyes“ ist zunächst eine Hommage an diese kurze Blütezeit des „American Horror“. Er funktioniert ähnlich wie Rob Zombies „The Devil’s Rejects“ als eine originalgetreue Nachstellung eines äußerst zeitbezogenen Sujets. Die einzigen Hinweise, dass Ajas Film nicht in den Siebzigerjahren spielt, sind iPods und Handys.

Die aktuellen politischen Verhältnisse hätten dem alten culture clash der Städter gegen die Provinzler (rote Staaten vs. blaue Staaten?) durchaus das Blut auffrischen können, doch Aja entschied sich für eine andere Form der Aktualisierung: seine Mutanten sind radioaktiv verstrahlte Minenarbeiter, Opfer der amerikanischen Atombombentests. Empathie erfahren sie deswegen aber noch lange nicht. Spätestens ab der Hälfte verliert „The Hills Have Eyes“ seinen Schrecken und kippt in ein reaktionäres Revenge Movie um. Ajas Scheitern führt noch einmal deutlich vor Augen, wie schwierig sich der Transfer von 70er-Jahre-Horrorfilmen in die Gegenwart darstellt – kulturell wie ästhetisch. Der Soundtrack ist da ein gutes Beispiel. Die Mischung aus alten Country-Songs (Webb Pierces herzerweichendes „More and More“ legt sich über eine Montage aus Los-Alamos-Footage und Pathologiebildern) und dem üblichen NuMetal-Gebolze ist eine Geschmacksverirrung, die den Film streckenweise schwer erträglich macht. ANDREAS BUSCHE

„The Hills Have Eyes – Hügel der blutigen Augen“, Regie: Alexandre Aja. Mit Kathleen Quinlan, Aaron Stanford u. a., USA 2006, 107 Min.