Deutschland spart sich Treibhausgase

Der Ausstoß von Kohlendioxid ging im letzten Jahr um erstaunliche 2 Prozent zurück. Ein einmaliger Effekt?

BERLIN taz ■ Die Deutschen haben im vergangenen Jahr weniger Kohlendioxid (CO[2]) in die Atmosphäre geblasen. „Die CO[2]-Emissionen sind in Deutschland im Jahr 2005 gegenüber dem Vorjahr um 2 Prozent auf rund 872 Millionen Tonnen gesunken“, erklärt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in seinem aktuellen Wochenbericht. Einen so hohen Rückgang habe es seit Mitte der 90er-Jahre nicht gegeben. Das ist allerdings kein Freibrief für eine Lockerung des Klimaschutzes.

Ursprünglich wollte Deutschland den CO[2]-Ausstoß zwischen 1990 und 2005 um 25 Prozent senken. Dieses Ziel sei aber „weit verfehlt“ worden, erklärt das DIW. Seit 1990 seien die Emissionen erst um knapp 17 Prozent zurückgegangen. Damit sei Deutschland zwar eines der wenigen Industrieländer, in denen der CO[2]-Ausstoß deutlich reduziert wurde. In den USA liege die Pro-Kopf-Emission etwa doppelt so hoch. Allerdings liegt der Ausstoß jedes Deutschen noch immer zweieinhalbmal über dem weltweiten Durchschnitt.

Hinzu kommt, dass die Kohlendioxid-Bilanz des vergangenen Jahres vor allem durch Einmaleffekte geprägt worden sei, sagt Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamts (UBA). „Wir können nicht damit rechnen, dass der Rückgang in den kommenden Jahren automatisch weitergeht.“ Drei Gründe waren für den jetzigen Rückgang verantwortlich. Erstens: 2005 war ein vergleichsweise warmes Jahr, die Temperatur habe um 0,8 Grad über dem Durchschnitt gelegen. Entsprechend weniger wurde geheizt.

Zweiter Grund: Der hohe Preis für Strom, Gas, Benzin und Heizöl. Das sorgte für sparsamen Umgang mit Energie. Bleibt das Preisniveau in Zukunft auf einem ähnlich hohen Niveau, stagniere voraussichtlich die Minderung der CO[2]-Emissionen, meint das UBA. Weitere Reduktionen würden nur erfolgen, wenn auch die Preise weiter stiegen. Der dritte Faktor: der Ausbau der erneuerbaren Energien. Ihr Anteil am Primärenergieverbrauch sei 2005 auf 4,6 Prozent gestiegen, nach 4 Prozent im Vorjahr. Nach einer Schätzung des Bundesumweltministeriums seien durch die erneuerbaren Energien insgesamt 83 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart worden.

Inwieweit der im vergangenen Jahr gestartete Emissionshandel bereits zu der für Deutschland positiven Kohlendioxidbilanz geführt hat, lasse sich noch nicht beurteilen, erklärt das DIW. Die dortigen Experten verweisen allerdings auf einen anderen wichtigen Aspekt: das schwache Wirtschaftswachstum. Die wichtigste emissionensteigernde Komponente sei nämlich seit Anfang der 90er-Jahre das gesamtwirtschaftliche Pro-Kopf-Einkommen gewesen. Und dieser Faktor fiel in den Jahren 2000 bis 2005 wegen der mauen Konjunkturlage vergleichsweise niedrig aus. Sollte das Wirtschaftswachstum sich wieder beschleunigen, dürften auch die CO[2]-Emissionen wieder steigen.

Dabei müsste Deutschland seine Treibhausemissionen weiter verringern, um zumindest das Kioto-Ziel, das eine Reduktion von 21 Prozent zwischen 1990 und 2010 vorsieht, zu erreichen. Das ist knapp möglich, meint Troge, allerdings nur wenn alle im Koalitionsvertrag beschlossenen Maßnahmen auch Wirklichkeit würden. Dazu zählen die Verbesserung des Gebäudesanierungsprogramms und die Rückführung „klimaschädlicher Subventionen“, wie die Eigenheimzulage und die Pendlerpauschale.

Für eine weiter gehende Reduzierung der Treibhausgase fordert das UBA einen noch höheren Anteil der erneuerbaren Energien, eine Kfz-Steuer, die vom CO[2]-Ausstoß eines Autos abhängt und die Einbindung des Flugverkehrs in den Emissionshandel. STEPHAN KOSCH