Der neue Stern über Berlin

Der Leverkusener Bayer-Konzern kauft das Weddinger Pharmaunternehmen Schering. Die Berliner begrüßen Bayer, denn die feindliche Übernahme durch Merck ist abgewendet. Jobabbau droht

von RICHARD ROTHER

Die weißen Ritter kommen aus einer Industriestadt am Rhein, die Berliner Fußballfans als Hertha-Konkurrenten kennen: Leverkusen. Der Chemiekonzern Bayer will das Weddinger Pharmaunternehmen Schering übernehmen – im Einvernehmen mit den Schering-Managern. Das feindliche Übernahmeangebot des Darmstädter Unternehmens Merck ist abgewendet, der Konzern gaben gestern auf. Berliner Politiker sind erleichtert, auch wenn jetzt Jobs bedroht sind.

Die neue Aktiengesellschaft unter dem Dach des Bayer-Konzerns soll Bayer Schering Pharma heißen und von der bisherigen Schering-Zentrale aus geführt werden – ein Erfolg für den Standort Berlin. Das neue Unternehmen würde mit jährlich rund 9 Milliarden Euro fast doppelt so viel Umsatz machen wie Schering. Bayer bietet den Schering-Aktionären 86 Euro je Aktie, Merck hatte 77 Euro geboten. Bayer legt 16,3 Milliarden Euro auf den Tisch, bei Merck wären es 14,6 Milliarden gewesen.

Schering begrüßt die Bayer-Offerte. „Der Preis von 86 Euro je Aktie, verbunden mit einer Reihe weiterer wichtiger Zusagen, ist ein gutes Angebot“, so Schering-Chef Hubertus Erlen. Beide Pharmageschäfte ergänzten sich sinnvoll. „Zusammen bildeten sie „ein noch wettbewerbsfähigeres Unternehmen“.

Trotz aller Erleichterung – bei solchen Worten sollten die Mitarbeiter hellhörig werden. Schließlich versprechen sich die Konzernspitzen von der Fusion auch deutliche Kosteneinsparungen – weltweit könnten 6.000 Stellen im neuen Konzern abgebaut werden; zurzeit arbeiten bei Schering rund 25.000 Menschen und bei Bayer HealthCare knapp 34.000. Dass Berlin vom Stellenabbau verschont bleibt, gilt als unwahrscheinlich.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) heißt Bayer dennoch willkommen. „Ich begrüße die Option, dass mit Bayer und Schering zwei namhafte deutsche Pharmahersteller einvernehmlich ihre Kräfte in Berlin bündeln.“ Der rot-rote Senat werde das Verfahren positiv begleiten, die Entscheidung liege aber bei den Aktionären. „Eine Kooperation von Schering und Bayer bietet mittelfristig gute Chancen für die Gesundheitswirtschaft in unserer Stadt.“

Auch die Grünen sehen Chancen durch die Fusion. „Das ist dramatisch viel besser als das, was uns mit Merck ins Haus gestanden hätte“, so Grünen-Wirtschaftsexpertin Lisa Paus. Zwar dürften nun auch in Berlin Arbeitsplätze abgebaut werden, aber das wäre bei Schering nicht anders gewesen. Die Fusion stärke das Unternehmen und den Gesundheitsstandort Berlin. Ähnlich sieht es IHK-Chef Eric Schweitzer. Die Fusion sei vor allem „eine große Chance für den Wirtschaftsstandort Berlin“.

Kritisch dagegen der CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger: Die Übernahme von Schering durch Bayer sei möglicherweise besser als die durch Merck. Trotzdem würden sehr viele Arbeitsplätze gestrichen und Berlin verliere sein letztes selbstständiges DAX-Unternehmen.

Merck gab gestern seine Übernahmepläne auf. Ein höherer Preis je Schering-Aktie sei nicht gerechtfertigt, hieß es. Einen satten Gewinn könnten die Darmstädter dennoch aus dem Poker ziehen: Verkaufen sie ihren rund fünfprozentigen Schering-Anteil, winken Kursgewinne von rund 250 Millionen Euro, schätzen Analysten. Viel Geld dafür, das Spiel begonnen zu haben.

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