Wider die eigene Überzeugung

An diesem Wochenende findet in der Berliner Humboldt-Universität die Europameisterschaft im Debattieren statt. Einer, der zum ersten Mal dabei ist, ist der Jerusalemer Jurastudent Elad Offek

VON OLIVER VOSS

Die Anspannung ist kaum zu überbieten an der landwirtschaftlichen Fakultät der HU. Seit einer Stunde warten die 400 Studenten auf die Bekanntgabe ihrer Vorrundengegner bei der Europameisterschaft im Debattieren. Eigentlich sollten schon die Ersten reden, doch es fehlen noch Teams und Unterlagen.

„Man macht ja auch nicht vier Debattenrunden an einem Tag“, sagt Elad Offek, „da sind wir erst um Mitternacht fertig.“ Doch es geht nicht anders, denn die erste EM in Deutschland ist auch die größte aller Zeiten. Aus 23 Ländern kommen die Redner. Allein England schickt 90 Debattierende, der Gastgeber stellt 84 Teilnehmer, und die drittgrößte Gruppe kommt aus Israel.

Elad Offek ist einer von ihnen. Er studiert Jura an der Universität Jerusalem und mag vor allem Menschenrechtsthemen. „Wenn eine Frage debattiert wird, mit der man sich auskennt, ist es immer leichter“, sagt Offek. Noch wichtiger sei jedoch, ob man die Pro- oder die Kontra-Position zugelost bekommt. Der Clou der Debattierwettstreits liegt darin, dass erklärte Pazifisten plötzlich für die Notwendigkeit des Irakkrieges argumentieren müssen.

Debattiert wird in Englisch. „Wenn du gegen drei britische Teams antreten musst, sind die Chancen klein“, sagt Offek. Ab dem Viertelfinale teilt sich der Wettbewerb daher in „Native Speakers“ und Nicht-Muttersprachler. Doch Elad Offek hat Glück. Er und sein Partner müssen gegen Teams aus Russland, Dublin und Mainz antreten. Das Thema ist für den Jurastudenten wie gemacht: Es geht um die Abschaffung des Internationalen Gerichtshofes. Fünfzehn Minuten haben die Teilnehmer Zeit, um ihre Reden vorzubereiten.

Dann ist es soweit. Das Team aus Dublin hat die Position der „Regierung“ und muss „ihren“ Plan, den Internationalen Gerichtshof abzuschaffen, darlegen. Sieben Minuten hat der erste Redner Zeit, die Einhaltung wird von der dreiköpfigen Jury per Klopfzeichen kontrolliert. Bewertet werden Inhalt, Vortragsweise und Strukturierung.

Die Iren bieten eine gute Vorstellung – mit dem nicht abgeschlossenen Milošević-Prozess haben sie ein schlagendes Argument zur Hand. Als erste Sprecherinnen der „Opposition“ versuchen die Russinnen dagegenzuhalten, doch man merkt ihnen den sprachlichen Nachteil an. Die rothaarige Moskauerin kommt oft durcheinander und lässt sich durch Zwischenbemerkungen verunsichern.

Marietta Gädeke aus Mainz tritt wesentlich überzeugender auf. Elad Offek erhebt sich mehrmals, um ihr zu widersprechen, doch die Deutsche lässt ihn nicht zu Wort kommen. Dann hat Offek selbst seinen ersten Auftritt. Der stämmige junge Mann mit den kurz geschorenen Haaren ist nervös. Gleich am Anfang beginnt er mehrfach zu stottern. Es ist seine erste Europameisterschaft und erst anderthalb Jahre her, dass er dem Debattierclub seiner Uni beigetreten ist. Doch Offek fängt sich. „Gleiche Prinzipien für alle“, fordert er und sagt, nationale Gerichte würden zu oft zu einer Siegerjustiz führen.

„Ich will mich nur nicht blamieren“, hatte Offek am Anfang gesagt. Dieses Minimalziel hat er erreicht und darüber hinaus die Runde gewonnen. Wenn er weiter so viel Glück hat, kann man Offek in den Finalrunden am Sonntag sehen. Diese finden ab 14 Uhr im Konzerthaus am Gendarmenmarkt statt.

Weitere Informationen:www.euros2006.com