Betriebsrat gründen schwer gemacht

Bei dem Postdienstleister Jurex wollen Mitarbeiter erneut einen Betriebsrat ins Leben rufen. Gegen Mitbestimmung hat sich die Geschäftsführung bisher aber gewehrt. Städte wie Hannover, Magdeburg und Wiesbaden beauftragen die Firma trotzdem

VON BERNHARD ROHKEMPER

„Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider besteht in unserem Betrieb noch kein Betriebsrat, der die Interessen der Belegschaft vertreten könnte. Wir wollen dies ändern …“ So haben drei Ver.di-Mitglieder die Berliner Belegschaft des Postdienstleisters Jurex auf die Wahlversammlung eingestimmt. Diese soll heute stattfinden. Die Beschäftigten sollen einen Wahlvorstand ernennen, der später eine Betriebsratswahl organisieren wird. Doch das Vorhaben ist schwierig.

Bisher habe die Jurex-Geschäftsführung immer versucht, Betriebsräte zu verhindern, sagten der taz ehemalige Firmenangestellte. Zwar gibt es in den Filialen Augsburg, Bonn und Düren bereits einen Betriebsrat. Doch in allen drei Fällen habe sich das Unternehmen mittlerweile von denjenigen getrennt, die die Mitarbeitervertretung initiierten.

Armin Schmidt ist einer von ihnen. Knapp drei Monate nachdem er zum Betriebsratsvorsitzenden der Niederlassung in Augsburg gewählt worden war, wurde er gekündigt – angeblich wegen einer Schwarzfahrt mit dem Firmenwagen.

„Normalerweise musste der Fahrtweg zwischen Wohnort und Firma nie als privat zurückgelegte Strecke abgerechnet werden“ , erklärt Schmidt. Jurex-Geschäftsführer Norbert Lüer sieht das allerdings anders: „Alle Mitarbeiter wussten, dass die Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsplatz selbst gezahlt werden müssen. Das war allgemein bekannt.“

Die Firma Jurex kommt aus dem nordrhein-westfälischen Erkelenz. Die Geschäftsführung „tritt Arbeitnehmerrechte und Betriebsverfassungsgesetze mit Füßen“, kritisiert Anton Schmid von Ver.di in Augsburg. Mehrere Exmitarbeiter, die ungenannt bleiben wollen, schilderten der taz rigorose Jurex-Methoden. Demnach habe die Geschäftsführung die Mitarbeiter in Rundmails und Aushängen aufgefordert, Tendenzen zu mehr Mitbestimmung zu melden. Es gäbe eine „Kultur der Angst“.

„Das ist schlichtweg falsch“, kontert Lüer. Man habe nichts gegen betriebliche Mitbestimmung und begrüße vielmehr, dass nun auch in Berlin ein Betriebsrat entstehe. Doch die Kritik richtet sich nicht nur auf den Umgang mit der Belegschaft, sondern auch auf die Geschäftspraktiken der Jurex GmbH.

Benedikt Frank von Ver.di Berlin-Brandenburg weiß: „Der Jurex-Geschäftsführer Norbert Lüer ist gleichzeitig auch Geschäftsführer der Firma JobCo, die Arbeitssuchende unter anderem an Jurex vermittelt, und zwar bevorzugt solche mit Vermittlungsgutscheinen der Agentur für Arbeit.“

Kolo Kaever, Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Aachen, bestätigte, dass den Agenturen für Arbeit die geschäftlichen Verbindungen der beiden Firmen bekannt wurden. Die Auszahlungen der Vermittlungsprämien seien daher gestoppt worden. „Eine Vermittlung Arbeitsloser von JobCo an Jurex hat stattgefunden. Ob das rechtens ist, muss das Bundessozialgericht entscheiden“, kommentiert der Jurex-Geschäftsführer den Vorwurf. Im Moment laufe das Verfahren noch.

Derweil gehen die Geschäfte gut. Erst in diesem Jahr beauftragten die Stadtverwaltungen von Hannover, Magdeburg, Wiesbaden und Mainz Jurex mit der Zustellung förmlicher Postsendungen. Jurex nutzt die schrittweise Aufhebung des Postmonopols und jagt der Post AG mit günstigeren Preisen Kunden ab. Mit seinem erfolgreichen Mittelstandsbetrieb schaffte es Norbert Lüer 2005 in die Finalrunde des Wettbewerbs „Entrepreneur des Jahres“. Jedes Jahr kürt die Wirtschaftprüfungsgesellschaft Ernest & Young „unternehmerische Spitzenleistungen“.