Zwei Herren und eine kompromisslose Lady

Die beiden Szenarien sind möglich: eine zweite Chance für die Orangene Revolution oder eine große Koalition

Bislang ist Julia Timoschenko nicht gerade durch Kompromissbereitschaft aufgefallen

BERLIN taz ■ Die ukrainische Parlamentswahl vom Sonntag, die erste seit der Orangenen Revolution, stellt die Abgeordneten vor eine neue Herausforderung: erstmals wählen sie die Regierung. Grund ist eine Verfassungsänderung, die am 1. Januar 2006 in Kraft getreten ist und die Vollmachten des Parlaments erweitert.

Sollten sich die Trends bestätigen, wären für die Regierungsbildung zwei Szenarien denkbar: Der Block von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko (BJUT) koaliert mit „Nascha Ukraina“, der Partei von Präsident Wiktor Juschtschenko, und den Sozialisten. Dieses wäre eine Neuauflage des „Orangenen Bündnisses“ vom Herbst 2004, unter dessen Führung hunderttausende Demonstranten nach wochenlangen Protesten die Wiederholung der Präsidentenstichwahl erzwangen. Fraglich ist jedoch, ob die Orangenen nach dem Konflikt zwischen Juschtschenko und Timoschenko im vergangenen September zu einer Neuauflage ihres Bündnisses in der Lage sind. Dies scheint umso zweifelhafter, wenn Timoschenko – vorausgesetzt, sie bleibt mit ihrer Partei zweitstärkste Kraft – den Posten der Regierungschefin beansprucht. Bislang ist „Lady Ju“ nicht durch Kompromissbereitschaft aufgefallen.

Die zweite Variante wäre eine große Koalition zwischen „Nascha Ukraina“ und der „Partei der Regionen“ des ehemaligen Regierungschefs Wiktor Janukowitsch. Ausgeschlossen ist das nicht, zumal die ehemaligen Erzfeinde nach dem Rauswurf Timoschenkos im vergangenen September bereits ein Memorandum über eine Zusammenarbeit unterzeichnet haben.

Über die Frage, welche Variante die bessere wäre, gehen die Meinungen auseinander. Das wäre ein Rückschritt, zudem könne es kein Bündnis zwischen Demokratie und Autoritarismus geben, sagt der Kiewer Politologe Wladimir Polochailo. „Das wäre der politische Tod Juschtschenkos. Die Mehrheit der Wähler ist eindeutig gegen ein solches Zusammengehen.“ Anders der Gründer des ukrainischen Instituts für Nationale Strategien, Stanislaw Belkowski – er hält die Schaffung einer politisch vereinten Ukraine für die dringlichste Aufgabe. Das könne nur eine große Koalition lösen. BARBARA OERTEL