Gegen alle Freundschaft

Roger Kusch, Hamburgs Justizsenator, ist von Bürgermeister Ole von Beust entlassen worden. Der Unsympath Kusch war für den zunehmend präsidial agierenden Beust längst nicht mehr tragbar

VON JAN FEDDERSEN

Für politisch interessierte Menschen hatte dieser Mann stets etwas Anrüchiges: Roger Kusch konnte nur deshalb am 31. Oktober 2001 Justizsenator Hamburgs werden, weil Wochen zuvor gegen alle Wahrscheinlichkeit (und Tradition) die Sozialdemokraten aus der Regierung geworfen wurden – und der Unionsspitzenmann Ole von Beust tatsächlich Bürgermeister wurde. Die Stadt erregte sich zwar über dessen Koalitionspartner Ronald Schill, ein Mann des inzwischen abgehalfterten Rechtspopulismus, aber man nahm es notgedrungen hin. Was damals gern übersehen wurde: Ole von Beust selbst hatte nie damit gerechnet, zum Ersten Manager des Stadtstaates aufzusteigen. Deshalb hatte er innerhalb seiner Partei, in Hamburg ein eher loser Zirkel von patrizisch inspirierten Politikamateuren, auch keine Hausmacht – Ole von Beust war ein vorzeigbarer Blondschopf, für den man sich nicht schämen musste, lud man ihn auf eine Party ein.

Der juristische Joker

Dies war der Grund, weshalb der Bürgermeister eine ganz außergewöhnliche Auswahl von Senatoren verpflichtete – an der Spitze ein Mann namens Roger Kusch, der alles in allem auf keinem Personaltableau für höhere juristische Laufbahnen stand. Ein bisschen Kanzleramt, ein wenig Staatsanwaltschaft am Bundesgerichtshof – der 1953 in Stuttgart geborene Politiker war eine echte Überraschung auf diesem Posten.

Bald schon wunderte sich niemand mehr, denn es waberten Gerüchte. Denn was man damals nur hinter vorgehaltener Hand raunen durfte, ist ja inzwischen archivunterfüttert: Kusch und von Beust hatten sich während des Studiums kennen gelernt, gewiss auch um Rechtswissenschaftliches zu vertiefen, vor allem aber als Homosexuelle in konservativem Milieu.

Kusch, der gestern von Ole von Beust aus dem Amt geworfen wurde, war freilich nicht für sein Schwulsein berüchtigt, sondern für die Art, wie er mit dem rot-grün-liberalen Justizapparat umsprang: durchaus im Sinne eines Law-and-Order-Gustos, der auf die Feinheiten moderner Juristerei oft wenig Rücksicht nahm. Innerhalb seiner Behörde beklagten sich die Frauen, weil er das Gleichstellungsgesetz verspottete – und hießen ihn eine „lächelnde Guillotine“. Vor vier Jahren bezeichnete er angelegentlich eines Besuchs eines Knastes im US-Staat Arizona die Härte des dortigen Strafvollzugs als wegweisend. Im vorigen Dezember schließlich mokierte sich seine Partei über seinen Vorstoß, die Sterbehilfe zu legalisieren, außerdem, in ähnlichem Zusammenhang, zur Abschaffung des Jugendstrafrechts. In toto, so hieß es, sei Kusch ein fachlich überforderter Politiker, der die plumpe Geste bevorzugt, weil er es nicht schafft, seine Senatsapparate kollegial in Entscheidungen einzubinden.

Bizarrerweise hatte Ole von Beust an seinem, so heißt es, Busenfreund aus Studientagen immer festgehalten – obwohl in der Öffentlichkeit der Verdacht nie ganz wich, er schützte einen Freund aus der persönlichen Seilschaft: Das nahm sich wie eine homosexuell gestiftete Begünstigung aus. Tatsächlich konnte von Beust Kusch nicht schon abservieren, nachdem Ronald Schill ihn und eben Kusch als schwul outete: Das hätte wie eine unsouveräne Flucht ausgesehen – und hätte dem Erfolg im Falle von Neuwahlen im Weg gestanden. In Hamburg gewinnt man Wahlen weder mit Hasenherzigkeit noch mit einem Diener vor den rechten Rändern. Man gibt sich liberal und bevorzugt die präsidiale Geste.

Rasender Kleinbürger

Doch Kusch war längst nicht mehr haltbar. Ein rasender Kleinbürger in den Amtstextilien eines Senators: Das konnte gefährlich werden. Denn von Beust ist längst gern Bürgermeister, hat vor zwei Jahren die absolute Mehrheit erobert – und will sie behalten. Einer wie Kusch, immer eine Spur zu schrill für seinen Posten, ein Unsympath, der das Klischee vom durchsensibilisierten Homosexuellen prominent zerrüttete, störte die Optik hartnäckig. So hat von Beust es mit Ronald Schill gehalten, den er auch erfolgreich abservierte, so soll es auch im Fall Kusch gewesen sein.

Mit homosexueller Kumpanei hatte und hat das alles nichts zu tun – heterosexuelle Allianzen sind nur so gewöhnlich, dass sie in ihrer Fülle niemals auffallen. Kusch stolperte jetzt über einen eigentlich läppischen Behördenskandal. Er habe Protokolle eines Untersuchungsausschusses weitergegeben – und das wurde bekannt. Kusch? Ein Misserfolgsfaktor? Ole von Beust musste ihn feuern, zumal der „Grund der Entlassung in einer Kette von Ereignissen vorher“ läge. War’s ein Fehler, Kusch einen Posten verschafft zu haben? „Man lernt dazu.“ Und ob nun die Freundschaft mit Kusch nach 26 Jahren ende, wurde sehr romantisch auch erörtert. Von Beust, nur dem eigenen Weg verpflichtet, antwortete: „Da ich das trenne, äußere ich mich dazu nicht.“