ARNO FRANK über GESCHÖPFE
: Schlafende Hunde

Wie es sich anfühlt, die Sau zu sein, die von „Bild“ durchs Dorf getrieben wird

An dieser sonst so heiteren und lichten Stelle habe ich mir vor zwei Wochen die Freiheit genommen, ein eher trauriges und dunkles Erlebnis zu schildern, bei dem ich mir in einem buddhistischen Drittweltwinkel einmal nicht anders zu helfen wusste, als das Elend einer sterbenden Hündin eigenhändig und unsachgemäß zu beenden – es war gerade kein Veterinär mit humaner Todesspritze zur Hand, und Ein Herz für Tiere dürfte in Indien auch nicht allzu viele Leserinnen und Leser haben. Die Geschichte eignete sich nicht als Thema für eine Schmunzelkolumne, also musste sie als Zumutung erzählt werden.

Am Tag der Veröffentlichung rief ein Reporter der Bild-Zeitung an, um mit mir ein wenig zu plaudern. Nett klang er, jung und verständnisvoll. Ob ich ihm denn nicht böse Post von Tierfreunden weiterleiten könne, die ich sicher schon bekommen hätte? Aber nein, das konnte ich nicht, weil taz-Leserbriefe eben taz-Leserbriefe und redaktionell nicht so gut in die Bild-Zeitung passen.

Tags darauf füllte die Geschichte eine halbe Seite der bundesweiten Bild, die täglich von fast 13 Millionen Menschen gelesen wird. Weil‘s aber bis dato keinen „Wirbel um den Bericht eines taz-Autors“ gegeben hatte, machte Bild ihn eben selbst: Unter der Überschrift „Das bizarre Protokoll einer Hunde-Tötung“ zitierte das Blatt aus meiner Kolumne, stellte eine phantasievolle Zeichnung der Hündin samt Welpen dazu, druckte mein Foto ab und veröffentlichte sowohl die Email-Adresse als auch die Telefonnummer der taz.

Nun bekam ich plötzlich sehr viele Leserbriefe von Bild-Lesern, die ganz gut in eine Kolumne passen, die davon handelt, wie es sich anfühlt, die Sau zu sein, die von Bild durchs Dorf getrieben wird. Eine Sandra Schönberg beispielsweise schrieb mir: „Das ist wohl mit das krankeste und verabscheuenswerteste was ich seit langem gelesen habe“. Sie spiele deshalb „mit dem Gedanken, einen solchen Menschen mit Blut einzureiben und ihn mit meinen Tieren in einen engen Raum sperren zu wollen um so etwas wie Rache zu geniessen“.

Eine Dame namens Ingrid Beyer-Schmidt findet, „mit einer Entlassung von A.Frank wäre die taz gut beraten“. Mag sein. Als Hedwig Wagenblast den Bild-Artikel las, „erfasste mich ein Konglomerat von Entsetzen, Wut, Trauer usw.“ und schloss mit dem Fazit: „Um zu einer solchen Tötung fähig zu sein, kann ich nur eine Unzurechnungsfähigkeit bestätigen“.

Auch keine Mördergrube aus ihrem Herzen machte Cathleen Wiertzoch, die vor lauter Empörung folgenden stream of consciousness auf mich abfeuerte: „sie sind so ein mieses SCHWEIN das meine wort wörtlichHunde behandelt haben sie sind einfach alle schimpfwörter die es gibt und die ich kenne und glauben sie mir ich kenne viele eigentlich besitzen sie gar nicht die würde das man sie Sie nennt“. Andere drückten mir aber auch ihre Hoffnungen aus: „Ich hoffe von ganzem Herzen, dass Sie noch eine Millionen Mal elender krepieren als diese arme Hundeseele“, und Klaus-Jörg Habermann befand, mein Handeln sei „wie Mord an einer menschlichen Mutter mit ihrem Baby“.

Eine Tina Post aus Ratingen schrieb: „Ich wünsche mir, dass sie (...) so krank werden, dass Sie ihrem unnützen, perversen Dasein ein Ende bereiten“. Von eigener Hand? Das muss vielleicht gar nicht sein, wie mir Walter Keuhlhartz nahelegte: „Ich gib dir mal folgenden Tip: Dreh dich öfters mal um, wenn Du im Dunkeln durch abgelegene Gassen gehst“. Danke für den Tipp, werde ich tun! Damit mir nicht am Ende noch Doris Schnitgerhans auflauert, mich „halb tot prügelt und danach ertränkt – vielleicht während ihre Kinder zusehen?“. Aber womöglich erwischt mich „Abschaum“ vorher noch „der Krebs“, wer weiß. Jürgen Umhauer dagegen will mich „Vollblut-Amateur“ lediglich verklagen, denn ich gehöre „weckgesperrt in die Psychiatrie“. Nur eine gewisse Heidi Padberg zeigte Ansätze von Selbstkritik: „Leider gehöre auch ich zu dieser ekelhaften Rasse ‘Mensch‘, leider, leider. Mein glücklichster Tag wird sein, wenn Krieg ist und sich die Menschen gegenseitig abschlachten“. Meiner auch, Heidi, meiner auch.

Fotohinweis: ARNO FRANK GESCHÖPFE Fragen an die Sau? kolumne@taz.de Morgen: Barbara Bollwahn ROTKÄPPCHEN