Bürger werden später ausgebremst

Die Hürden für Volksbegehren werden deutlich gesenkt. Darin sind sich alle Fraktionen einig. Doch bei der entscheidenden dritten Stufe pochen SPD und CDU auf hohe Quoren: Gesetzesnovellen per Bürgervotum bleiben weiterhin unwahrscheinlich

VON GEREON ASMUTH

Die direkte Beteiligung der Bürger an der Landespolitik wird stark vereinfacht. Für Volksinitiativen und Volksbegehren werden künftig deutlich weniger Unterschriften notwendig sein. Zudem werden die Sammelfristen verlängert. Darauf haben sich gestern Vertreter aller fünf Abgeordnetenhausfraktionen geeinigt (siehe Kasten). Dennoch fällt die Reform kleiner aus als erwartet. Denn beim Volksentscheid, der entscheidenden dritten Stufe, pochen SPD und CDU auf nahezu unüberwindbare Hürden.

Für eine Änderung der Landesverfassung sollen demnach 50 Prozent der Wahlberechtigten stimmen. Zudem wären zwei Drittel aller abgegebenen Stimmen notwendig. „Das ist Verhinderungspolitik“, kritisierte Michael Effler vom Verein Mehr Demokratie. Volker Ratzmann, Fraktionschef der Grünen, spricht von einem „Placebo“. Bei diesen Quoten könne man die Möglichkeit einer Verfassungsänderung ganz weglassen. Und auch Alexander Ritzmann (FDP) sieht noch „dringenden Handlungsbedarf“. Alle drei hoffen, dass sich SPD und CDU noch bewegen. Doch Christian Gaebler, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, hält das vorliegende Paket bereits für „relativ ausgereizt“.

Noch völlig ungeklärt ist die Frage, ob die Unterschriften für Volksbegehren künftig frei in der ganzen Stadt gesammelt werden können, oder ob die Bürger wie bisher zur Stimmabgabe in die Bezirksämter gehen müssen. Befürworter der „freien Sammlung“ erhoffen sich dadurch eine stärke Diskussion in der Bevölkerung. Die SPD aber sieht den Datenschutz gefährdet, wenn Sammler über Adressen und Geburtsdaten der Unterzeichnenden verfügen könnten. Um eine Einigung nicht zu gefährden, soll dies nun nicht in der Landesverfassung geregelt werden, sondern in einem erst später zu beschließenden Ausführungsgesetz.

Am kommenden Dienstag sollen die von der parteiübergreifenden Arbeitsgruppe erstellten Vorschläge in den Fraktionen vorgestellt werden. Einen Tag später will die Gruppe einen endgültigen Vorschlag erarbeiten. Im Mai soll die Reform vom Parlament beschlossen werden. Endgültig abgesegnet wird sie durch eine Volksabstimmung – zeitgleich mit der Abgeordnetenhauswahl am 17. September.

Die Diskussion über direkte Demokratie wird damit nicht beendet sein. „Wir werden weiter bohren, bis das Brett durch ist“, kündigte Ratzmann an. Auch die SPD zeigt sich für die Zukunft flexibel. Sollte die Praxis zeigen, dass die Hürden wirklich zu hoch seien, müsse man erneut darüber reden, so Gaebler. Zuvor müsse aber die aktuell geplante Reform vorhandene Denkblockaden aufbrechen.