Die schaffen das

Eoin Moores Film „Im Schwitzkasten“ berherbergt ein trotz Hartz IV sonniges Milieu: sympathisch und harmlos

Arbeitslosigkeit bringt man am besten als Komödie auf die Leinwand, fanden Esther Zimmering und Eoin Moore. In ihrer Geschichte treffen alle Schichten, die Betroffenen und die Davongekommenen, in einer Sauna, dem „Schwitzkasten“, zusammen. Jeder will dort entspannen, aber das neoliberale Klima sorgt für Turbulenzen.

Die Schauspielerin und Initiatorin des Films und der in Berlin lebende irische Regisseur benötigten nur zwei Jahre von der ersten Idee bis zur Premiere. Die schnelle Realisierung hat mit Eoin Moores Ruf als Schauspielerregisseur („Plusminusnull“, „Pigs will fly“) zu tun, aber auch mit der neuen Neigung zum sanften Mainstream, den das einst avancierte Kleine Fernsehspiel des ZDF unter Quotendruck betreibt. Moores Wendung von sperrigen Männerporträts zur Zeitgeistkomödie kam gerade richtig. Trotz des Tempos lahmen einige Ideen. Das Projekt stammt aus der Schröder-Ära, als Hartz IV noch eine Wolke am Horizont war und die Parole galt, man müsse Langzeitarbeitslosen nur die Alimente entziehen, dann würden sie in den Arbeitsmarkt zurückkehren. Dass kaum neue Jobs entstanden, wissen wir heute, Moores Film sieht das nicht so eng. Wenn er seine Saunafreaks durch ihren Alltag begleitet und ihre Tricks und Ticks offenbart, scheint die Zukunft überschaubar. Es gibt einen Arbeitsamtskunden mit notorisch selbstbewusster Anspruchshaltung, mehrere Existenzgründerinnen und ein gewisses „Na also, geht doch“ in Sachen fröhlicher Selbstbestimmung.

Der Ensemble-Spaß versucht, die minimalen Produktionsbedingungen wettzumachen. Die Schauspieler haben ihre Figuren selbst entwickelt und viel Sinn für die Marotten ihrer Typen investiert. Christiane Paul und Charly Hübner spielen ein Geschwisterpaar, das das reparaturbedürftige Badehaus betreibt. Die Schwester ahnt nicht, was die vielen ungeöffneten Briefe vom Finanzamt bedeuten. Der joviale Bruder buddelt Havelschlamm aus, peppt ihn mit Eiern auf und preist ihn als edlen Fango an. Unternehmer und Besucher sitzen im selben Schlamassel drohender Pleite. Macht nichts, die Schwester will trotz Schulden zum Happy Ending „was Eigenes“ aufbauen.

Andreas Schmidt („Sommer vorm Balkon“ und in mehreren Eoin-Moore-Filmen die Hauptfigur) ist der Gelegenheitsmalocher der Saunarunde, ein gedemütigter Vater, der seinem Sohn ein Rad klauen will und dabei erwischt wird. Steffi Kühnert als seine geschiedene Frau macht als Versicherungsvertreterin die Schwitzbude zu ihrer Außenstelle. Esther Zimmering spielt eine Stewardess, die sich auf der sicheren Seite glaubt, dann jedoch die Entlassung verkraften muss und den Spießrutenlauf durch grausam-komische Einstellungstests beginnt.

Und dann ist da noch Edgar Selge, der Mime mit dem Zug ins Grandiose. Hier spielt er einen Goethe-Kenner und Redenschreiber in den Diensten seiner technokratischen Politikergattin (Franziska Walser). Dem Vordenker für neoliberale Appelle an die Eigenverantwortung dient die kiezige Saunatruppe als ideale Basiserfahrung und Publikum. Dann aber packt ihn die neue Geschäftsidee des bankrotten Saunabesitzers, ein Wellness-Zentrum auf dem Land einzurichten, und er investiert das Geld seiner zickigen Gattin in seinen Traum.

Am Ende ist alles auf Anfang, wie es das Rollenspiel des flexiblen Menschen erfordert. Andreas Schmidt hat als Radfahrspaß für sein Söhnchen das Velo parat, auf dem er strampelnd jobbt, die Stewardess gibt fröhlich kund, dass sie „alles kann“ und daher die Stütze nicht braucht. Sarkasmus nur für den neoliberalen Gutmenschen des Films, der den Herztod in der Sauna stirbt. Der Prenzlauer Berg bleibt ein sonniges Milieu, sympathisch und harmlos. CLAUDIA LENSSEN

„Im Schwitzkasten“. Regie: Eoin Moore. Mit Charly Hübner, Alice Dwyer, Steffi Kühnert u. a. Deutschland 2005, 97 Minuten