Alle Bagger stehen still

Der Konflikt beim Spandauer Baumaschinenwerk CNH spitzt sich zu: Mitarbeiter verhindern den Abtransport von Baggern. Die Belegschaft streikt seit Wochen, weil Fiat das Werk schließen will

von RICHARD ROTHER

Häuserkampf einmal anders: „Das ist unser Haus, ihr kriegt uns hier nicht raus!“, dröhnt es laut aus den Boxen vor der Spandauer Baumaschinenfabrik CNH. Die Fabrik wird seit 37 Tagen bestreikt, weil der italienische Mutterkonzern Fiat die Produktion Mitte des Jahres schließen und mehr als 400 Beschäftigte entlassen will. Die setzen sich immer massiver zur Wehr: Gestern verhinderten sie mit einer Blockade den Abtransport teurer Bagger.

Dutzende dieser nagelneuen Baumaschinen stehen auf dem Werksgelände, jede mehr als 100.000 Euro wert, sagen die Streikenden. Gestern am frühen Morgen nun rollte ein Sattelschlepper an und wollte ein Gerät abholen. Er kam nicht weit, weil Streikende die Einfahrt blockierten. Das gleiche Bild bietet sich gestern Nachmittag: Der Sattelschlepper wartet in Sichtweite, ca. 100 Streikende haben sich vor dem Tor versammelt, ein paar versperren die zentrale Einfahrt: In graue Decken gehüllt, sitzen sie demonstrativ auf Plastestühlen. „Ich bleibe hier auch bis Weihnachten hocken, wenn es sein muss“, sagt einer.

Nötig ist das nicht: Die Streikenden haben ein Schichtsystem eingeführt. Alle sechs Stunden wechseln sich die Wachen ab, und irgendwer findet sich immer, der im Fall des Falles die Zufahrt blockiert. Betriebsratschef Christian Fromm hat Verständnis für die Aktion. „Die Leute haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Sie wissen nicht, wie sie ihre Familien ernähren sollen.“

Die Polizei, mit mehreren Mannschaftswagen vor Ort, greift nicht unmittelbar ein. Die Auseinandersetzung sei eine privatrechtliche Angelegenheit zwischen Betrieb und Belegschaft, so ein Polizeisprecher gestern. „Da stellen wir uns nicht dazwischen.“ Die Polizei achte aber darauf, dass niemand zu Schaden komme.

Genau das erledigen die Beamten, als der Sattelschlepper am Nachmittag abzieht. Wütende Arbeiter, die sich dem Truck in den Weg stellen, werden auf den Bürgersteig abgedrängt; der Laster kann abfahren. Nur ein rohes Ei fliegt noch an die Windschutzscheibe.

Vor dem Tor ist die Situation damit noch nicht entspannt. Betriebsleiter Gerd Schröder bahnt sich, von Bodyguards bewacht, seinen Weg durch die Menge. Mit einer Digitalkamera schießt er Fotos. Er soll dabei mit Abmahnungen gedroht haben, berichtet Betriebsrat Fromm. „Eine Provokation“, findet Fromm.

Wenig später wiederholt sich der Spießrutenlauf durch die Streikenden, die mit Trillerpfeifen und Sirenen einen Höllenlärm veranstalten. Zwei Arbeiter, die aus dem Werkstor treten, werden mit dem Ruf „Streikbrecher!“ empfangen. Knapp zwei Minuten brauchen sie für 20 Meter Fußweg, bevor sie abziehen können. Direkt neben dem Tor haben die Streikenden eine Wandzeitung aufgehängt. Unter der Überschrift „Streikbrecher“ finden sich Fotos von rund 20 Beschäftigten. Hier wird mit harten Bandagen gekämpft.

Das CNH-Werk in Spandau wird seit Mitte Februar bestreikt. Die Beschäftigten fordern den Abschluss eines Sozialtarifvertrags, mit dem sie nach einer Werksschließung zeitweise abgesichert wären. Am liebsten wäre es ihnen aber – wie dem rot-roten Senat, der Millionensubventionen zurückfordert –, würde CNH den Beschluss zur Einstellung der Produktion zurückziehen. Dann würden, keine Frage, täglich wieder mehrere Bagger den Werkshof verlassen.