Polizist klagt sich in Urlaub

Das Arbeitsgericht gibt einem Polizisten Recht, der wegen zu vieler Überstunden gegen das Land geklagt hatte. Er darf drei Wochen in Urlaub fahren. Wie die Polizei die durch die WM entstehende Mehrarbeit kompensieren will, ist unklar

Bei der gesamten Berliner Polizei pendeln die Überstunden seit Jahren „um die Millionengrenze“

Nur einen Tag vor der letzten großen Sicherheitskonferenz für die Fußball-WM mit 300 internationalen Sicherheitsexperten bescherte das Berliner Arbeitsgericht Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch ein zusätzliches Problem. Dort nämlich siegte der Wachpolizist Heinz L. mit seiner Klage gegen das Land wegen fortgesetzten Verstoßes gegen den Tarifvertrag. Hintergrund ist der Mitte 2003 mit den Gewerkschaften geschlossene Vertrag. Danach akzeptieren Angestellte im öffentlichen Dienst Lohneinbußen bis zu 12 Prozent. Sie erhalten dafür aber einen entsprechenden Freizeitausgleich. Im Schnitt 260 Euro im Monat macht der Lohnverzicht aus.

Insbesondere bei den Objektschützern funktioniert diese Vereinbarung jedoch nicht. Rund 170 Stunden hat seither allein Heinz L. angesammelt. Seine so genannten „Ausgleichstage“ hat er aber nie erhalten – trotz mehrfacher Anträge. Am Mittwoch nun gab ihm das Gericht Recht. In „bestimmten Bereichen der Polizei“, so die Richterin, könne man „den Eindruck haben, dort interessiere der Tarifvertrag niemanden“. Ab Mitte April geht Heinz L. nun drei Wochen in Urlaub. Rechtzeitig zum WM-Start im Juni ist er also wieder da.

Doch das Urteil, mit dem Heinz L. „die Sache auch für alle anderen Kollegen geregelt“ haben wollte, hat Signalwirkung. Auch andere werden jetzt auf ihren Freizeitanspruch pochen. Allein bei den Objektschützern haben sich mittlerweile rund 190.000 Freizeitstunden angesammelt, sagt Thomas Kleemann vom Personalrat. Der unterlegene Rechtsvertreter des Polizeipräsidenten hält eine Berufung denn auch „für wahrscheinlich“. Damit geht es dann vors Landesarbeitsgericht.

Doch das grundsätzliche Problem bleibt. Bei der gesamten Berliner Polizei pendeln die Überstunden nach Schätzungen des Gesamtpersonalrates und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) seit Jahren „immer um die Millionengrenze, mal mehr, mal weniger“. Wie viele Polizisten werden also zur WM im Einsatz sein? „Na alle“, sagt GdP-Boss Eberhard Schönberg. Das wären aktuell dann etwa 16.200 Beamte und Beamtinnen – denn schon längst herrscht für die Berliner Polizei in diesem Sommer Urlaubssperre. Rund 1.300 Ordnungshüter dürfen sich in diesem Sommer also nicht sonnen, sondern müssen weiterhin Dienst schieben. Sie sollen nach dem Vorbild der Bereitschaftspolizei schnell mobilisierbare Abschnitts- und Direktionshundertschaften bilden.

Wie viele Beamte die anderen Bundesländer nach Berlin schicken können, ist noch unklar. Selbst in Ländern, die in denen keine Austragungsorte der WM-Spiele liegen, ist durch öffentliche Übertragungen und entsprechende Menschenansammlungen die Polizei gefordert. Dank Großleinwänden ist eben überall WM.

Unterstützt werden die Berliner Polizisten bei ihrem Fußball-Einsatz aber von englischen Bobbies, französischen Flics, Carabinieri aus Italien und weiteren Polizisten aus anderen Staaten. Sie sollen ein Auge auf ihre jeweiligen Hooligans haben. Es wird der größte Polizeieinsatz in der Berliner Geschichte. Zum Vergleich: Beim 1. Mai waren in der Vergangenheit „nur“ bis zu 9.000 Polizisten im Einsatz.

Dass dicke Ende für die Beamten kommt nach dem Fußball-Sommer 2006: Nicht nur bei den Wachschützern wird der Überstundenberg weiter wachsen. Auch bei der gesamten Polizei wird die Millionenhürde locker übersprungen sein. Sie wieder abzubauen dürfte schwierig werden – ganz unabhängig davon, wie dann die nächste Klagerunde von Heinz L. ausgehen wird.

OTTO DIEDERICHS