ddr, zuordnungen etc.
: Meine Kompetenz als Zeitzeuge

Meine DDR-Erfahrung – aktuell gerade herausgefordert durch den Film „Das Leben der Anderen“ – schrumpft immer mehr zu einer gegenwartsarchäologischen Stilkompetenz im Zuordnen von Artefakten zu einer abgeschlossenen Epoche. Bei Barock und Rokoko hätte ich Probleme, aber DDR-Überbleibsel kann ich zweifelsfrei bestimmen.

Die Türriegel auf dem Klo des Schauspielhauses am Berliner Gendarmenmarkt. Bei Netto Pfeffi-Bonbons und Leckermäulchen. Am Zeitungskiosk haben das ND und die Rätselzeitschrift Troll überlebt, warum gerade sie? Ein Laternenmast. Ein Stück Berliner Mauer. Das letzte Ende rot-weiß gestreifter Balustrade im Windschatten des Kiosks an der Kreuzung Danziger Straße/Schönhauser Allee. Gehwegpflaster. Mitropa-Geschirr in „Szene“-Kneipen. Die vergessenen Betonsockel im Bürgersteig der thüringischen Provinzstadt, auf denen ursprünglich Sichtelemente mit Losungen verankert waren.

Filme, die mit dem Aufwand von Historienmalerei die DDR nachstellen, stellen einen kaum zufrieden. Und weil man weiß, wie falsch hier die Atmosphäre in der Regel wiedergegeben ist, traut man auch den Historienfilmen über andere Epochen und Weltgegenden nicht mehr. Das Kunstwerk hat zwar eine immanente Logik, aber bitte nicht mit anachronistischen sprachlichen Wendungen und der falschen Möblierung.

In der Sprache klappt es auch – eine alte Floskel unter DDR-Kompetenten geäußert, löst Heiterkeit aus. Schwieriger ist es inzwischen schon mit Menschen. So sie sich nicht am Dialekt verraten, wird die intuitive Zuordnung, früher ein Kinderspiel, immer schwerer. Witzig, welche Seite man durch fehlerhafte Zuordnung beleidigt oder erfreut. Dafür weiß man sicher, dass Nürnbergs Erfolgstrainer Hans Meyer aus dem Osten stammt, schlimm genug, dass man jetzt für diese Mannschaft sein muss, die einem immer so schön egal war.

Auch Erscheinungen ordnet man zu. Dass Franz Beckenbauer sich beim Länderspiel in Dortmund gegen DFB-kritische Transparente im Stadion aussprach: reine DDR. Auch dass „die Öffentlichkeit“ das Mitsingen der Hymne von den Spielern „erwartet“: bloß nicht!

Die 19 Jahre in der DDR waren vielleicht nicht mehr als eine Langzeitrecherche, immersion-journalism, eine ethnologische Studie. Es gibt sicher Journalisten, die sich 19 Jahre ins Gefängnis setzen, um über die Erfahrungen Lebenslänglicher zu schreiben. Bestseller. JOCHEN SCHMIDT