Der wichtigste Richter im Ersten Senat

Mit Dieter Hömig verlässt der einzige von der FDP vorgeschlagene Richter das Bundesverfassungsgericht. Er hat zahlreiche wichtige Urteile vorbereitet. Mit seinem Ausscheiden endet die strukturelle linksliberale Mehrheit

BERLIN taz ■ In Karlsruhe geht eine Ära zu Ende. Am ersten April lief die Amtszeit von Verfassungsrichter Dieter Hömig aus. Mit ihm endet auch die strukturelle linksliberale Mehrheit am Ersten Senat des Gerichts.

Vier Richter am Ersten Senat wurden von der SPD vorgeschlagen, drei Richter von der CDU/CSU und Dieter Hömig von der FDP. Mit 5:3 Richterstimmen wurde deshalb 2002 die Klage Bayerns gegen die eingetragenen Homopartnerschaften abgelehnt. Hömig, der sich selbst als „sozialliberal“ bezeichnet, stimmte mit den linken Richtern gegen die konservativen. Doch nur selten ergab sich in den letzten Jahren ein so klares Bild. „Es befriedigt mich mehr, wenn sich der Senat zu einer gemeinsamen Linie zusammenrauft, als wenn ich für meine Position nach Hauen und Stechen eine Mehrheit bekomme“, sagt Hömig.

Tatsächlich sind viele der wichtigen Urteile, die Hömig vorbereitet hat, einstimmig ergangen. So im Februar, als der Erste Senat einen zentralen Punkt des rot-grünen Luftsicherheitsgesetzes kassierte: Die Bundeswehr darf keine entführten Flugzeuge mehr abschießen. Auch das Urteil, das ihm am meisten Ärger einbrachte, fiel einstimmig. Nach akribischer Vorbereitung – Hömig hatte sogar den Karlsruher Schlachthof besucht – entschied Karlsruhe 2002, dass muslimische Metzger unter staatlicher Kontrolle betäubungslos schlachten dürfen. Hunderte von oft unflätigen Briefen erboster Tierschützer erreichten daraufhin das Gericht.

Verfassungsrichter wurde FDP-Mitglied Hömig 1995, weil ihn sein guter Freund Klaus Kinkel, der damalige FDP-Außenminister, ins Spiel brachte. Hömig hatte Kinkel schon Anfang der 60er-Jahre im Tennisclub Hechingen kennen gelernt. „Das hat natürlich ein Gschmäckle“, räumt Hömig ein, „aber man muss auch Glück haben.“

Fachlich war an der Wahl Hömigs jedoch nichts zu deuteln. Der ruhige Schwabe war ein ausgewiesener Verfassungsexperte, der seit 1982 an einem Grundgesetzkommentar mitarbeitete. Auch seine berufliche Karriere galt ganz dem öffentlichen Recht. Nach einem herausragenden Examen ging er nach Bonn ins Bundesinnenministerium, wo er schon mit Mitte dreißig das Referat für Verfassungsfragen leitete. 1983 wurde er als Richter ans Bundesverwaltungsgericht gewählt. Weitere zwölf Jahre später wechselte er nach Karlsruhe.

Wie um seine Wahl zum Verfassungsrichter zu rechtfertigen, arbeitete Hömig anfangs bis zum Umfallen. Erst in den letzten Jahren reduzierte er sein wöchentliches Pensum nach eigenen Angaben auf 60 bis 70 Stunden pro Woche. Selbst im Urlaub hatte er Akten und Laptop dabei. Der Urteilsentwurf zum Luftsicherheitsgesetz entstand im Wesentlichen auf Hiddensee. Das Gschmäckle seiner Wahl ist längst verflogen. Manche seiner Kollegen bezeichneten Hömig sogar als „wichtigsten Richter“ im Ersten Senat, weil er wie keiner Kompromisse schmieden konnte. CHRISTIAN RATH