Gefährdete Arten bleiben ohne Schutz

UN-Artenschutzkonferenz kommt zu keinem Ergebnis, wie der Verlust der Artenvielfalt zu bremsen ist. Biotech-Konzerne haben weiter freien Zugriff auf genetische Ressourcen von Entwicklungsländern. Süden spricht nicht mit einer Stimme

Gewinne für die Industrie, kein Ausgleich für die Ursprungsländer

AUS PORTO ALEGRE GERHARD DILGER

Die 8. UN-Artenschutzkonferenz im brasilianischen Curitiba kann als gescheitert gelten. Rund 4.000 Delegierte aus den 188 Mitgliedsstaaten der Konvention über biologische Vielfalt stritten zwölf Tage lang darum, wie die Gewinne aus der Nutzung biologischer Ressourcen gerecht verteilt werden könnten. Einziges Ergebnis: Bis 2010 soll eine Arbeitsgruppe einen Entwurf hierzu vorlegen.

Jochen Flasbarth, der Abteilungsleiter Naturschutz aus dem Bundesumweltministerium, räumte ein, der Prozess sei „erschreckend langsam“. Der Greenpeace-Waldexperte Martin Kaiser weist den Industrieländern einen großen Teil der Schuld am Scheitern der Konferenz zu: Sie hätten auf Zeit gespielt, „in der ihre Pharma- und Gentechnikkonzerne sich Patente auf Pflanzen und genetische Ressourcen sichern können. Die Industrie will weiter die Gewinne einstreichen, ohne den Ursprungsländern einen Ausgleich zahlen zu müssen.“

Die größten Bremser seien Australien, Neuseeland, Kanada sowie die Europäische Union gewesen, berichtet Marcelo Furtado von Greenpeace Brasilien. Druck kam auch von den USA, die die Konvention erst gar nicht ratifiziert haben.

Umweltaktivisten, Vertreter indigener Völker und tausende Mitglieder des Kleinbauern-Dachverbands Vía Campesina traten auf gut 200 Parallelveranstaltungen und Kundgebungen auf. Die Hoffnung des brasilianischen Indigenen-Vertreters Marcos Terena, die Konvention könne zu einem Gegenpol zum Patentabkommen der Welthandelsorganisation (WTO) ausgebaut werden, erwies sich jedoch als illusorisch.

Denn der Süden spricht nicht mit einer Stimme: So lehnt die Vía Campesina die Patentierung und damit die Versilberung natürlicher Ressourcen und traditionellen Wissens von Urvölkern ab. Die Regierungen der meisten Entwicklungsländer wollen dieser Forderung jedoch nicht folgen. Sie begrenzen überdies oft die Mitsprache der Indigenen, weil sie keine Einschränkung ihrer politischen Macht dulden wollen.

Nur einen Erfolg kann Greenpeace-Experte Furtado erkennen, nämlich dass steriles Saatgut, die so genannte Terminator-Technologie, bis auf weiteres verboten bleibt. Mit dieser Technologie wollten Agrarkonzerne verhindern, dass Bauern ihr eigenes Saatgut vermehren. Weitere Lichtblicke waren die Ankündigungen, im Pazifik und in der Karibik würden neue Meeresschutzgebiete ausgewiesen, ebenso ein Urwaldreservat auf Borneo.

Das ist allerdings weit weg von dem Ziel, das vor vier Jahren auf der UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg formuliert wurde. Damals hieß es, dass die Geschwindigkeit des Artensterbens bis 2010 „deutlich reduziert“ werden solle. Wie dieses Ziel erreicht werden soll, blieb in Curitiba völlig offen. Auf der Roten Liste der Vereinten Nationen stehen inzwischen 15.000 Tier- und Pflanzenarten, die vom Aussterben bedroht sind.

Das politische Gesamtszenario bleibe „Besorgnis erregend“, fasst Furtado zusammen. Dass die nächste Artenschutzkonferenz 2008 in Deutschland stattfindet, sieht er mit gemischten Gefühlen: „Wenn Europa das Thema Artenschutz nicht ernst nimmt, sollte man sich diese teuren Treffen lieber ganz sparen.“