Gekommen, dort zu bleiben

Die Berliner Band Wir sind Helden versucht Frankreich zu begeistern

Man kann sich einen passenderen Ort vorstellen, um ein Konzert in Frankreich zu geben. Eine quadratische Black Box, in die einen Parkettboden eingelegt ist. Keine Bar, keine Getränke, kein Zigarettenqualm. Aber eigentlich wollen Wir sind Helden ja auch kein richtiges Konzert geben, sondern nur einen Testauftritt. Das eiskalte Wasser des französischen Musikmarkts soll durch ein Bad in wohlgesonnener Menge vorgewärmt werden.

Etwa 250 Austauschschüler, Erasmus-Studenten und deutsche Exilanten haben an diesem Donnerstagabend den Weg ins Virgin-Gelände im Norden von Paris gefunden. Als Judith Holofernes fragt, wie viele im Publikum nur Französisch sprächen, gehen nur zwei Hände in die Höhe. Heimvorteil also. Das nervöse Intro von „Guten Tag“ erklingt, Schlagzeuger Pola Roy hämmert zackig drauf los. „Ich tausch nicht mehr, ich will mein Leben zurück“, meckert Holofernes ins Mikro. Der schön verpackte Abgesang auf die Konsumgesellschaft kann beginnen. Mit zerrigen Gittaren, dröhnenden Bässen und schmissigen Refrains wird das „kälteste Gewerbe“ der Welt, das Musikgewerbe beklagt : „Ihr schickt meine Lieder auf die Straße (…) mit den Kunden zu gehn“ („Zuhälter“). Das „System“ in feinen Tönen zu kritisieren ist das Markenzeichen der Helden.

Auch jungen Franzosen, die dieser Tage ja ebenfalls ihr Leben zurück oder zumindest eine Arbeitsplatzgarantie haben wollen, könnte dieser Gestus der wohlerzogenen Unbehagens an der Vergesellschaftung gefallen. Doch die Band, die 2005 den von der EU-Kommission ausgeschriebenen „European Border Breakers Award“ gewonnen hat, setzt nicht auf Kapitalismuskritik, sondern auf die französischsprachige Comic-Kultur. Zu dem Song „Von hier an Blind“ wurde ein Video mit französischen Texten gedreht, „Vers le Vide“. Darin imitieren die Helden, wie schon beim Cover ihres letzten Albums, den Stil des belgischen Comic-Zeichners Hergé, der den Franzosen durch seine „Tin Tin“-Comics („Tim und Struppi“) wohlbekannt ist. Ob die Rechnung aufgeht, wird sich zeigen.

Nicht vielen deutschen Bands war in Frankreich Erfolg beschienen, einem Land, in dem – dank der Quote – zwei Drittel der verkauften Pop-Platten in Französisch produziert werden. Mitte der Neunziger haben es Die Toten Hosen mit einer französischen Version von „Alles aus Liebe“, „Tout pour sauver l’amour“ versucht. Nur Rammstein ist den Franzosen ein Begriff, deren Album „Reise Reise“ landete auf Platz drei.

Doch an diesem Abend können den Helden solche Bedenken nichts anhaben. Sie spielen sich souverän durch ihr Programm, Holofernes probt den einen oder anderen Refrain in Französisch, das sie passabel beherrscht. Es gibt zwei Zugaben, danach dürfen die Fans noch mit den Musikern fürs Fotoalbum posieren.

Die nächsten Stationen stehen schon fest: Am 29. Mai wird in Frankreich ein Best-of erscheinen, mit französischen Versionen der Lieder „Aurélie“, „Guten Tag“ und „Von hier an Blind“. Am 24. April spielt man dann wieder in Paris, im Vorprogramm von Phoenix. MARTIN SCHNEIDER