Polens Mediengesetz gestoppt

Verfassungsgericht bremst vorerst Zensur. Doch der Präsidenten-Bruder gibt nicht auf

Die Blamage für Regierung und Präsident hätte kaum größer sein können. „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) nennt sich die Partei, die Ende 2005 die Macht in Polen übernahm. Mit einer „moralischen Revolution“ will sie das Land und die Medien von Korruption und ihr unliebsamen Seilschaften säubern. Dass ihr bei diesem Ziel allerdings Recht und Verfassung gewisse Grenzen setzen, musste PiS eben wieder erfahren: Das im Eiltempo durchs Parlament gepeitschte Rundfunkgesetz verstößt gegen die Verfassung. Präsident Lech Kaczyński hatte kein Recht, die neue Vorsitzende des Rundfunkrats zu ernennen, da er damit unzulässig seine Kompetenzen erweiterte, urteilte jetzt das polnische Verfassungsgericht.

Auch die neue Ethikzensur, die durch das Gesetz eingeführt wurde (taz vom 31. 01.), ist nicht verfassungskonform, ebenso wenig die Privilegien für so genannte gesellschaftliche Sender wie die katholisch-nationalistischen Medien. Das Gesetz muss jetzt von Sejm und Senat gründlich überarbeitet werden.

Und der Präsident, der sich viel darauf zugute hält, als Juraprofessor Recht und Gesetz gut zu kennen, muss sich immer öfter den Vorwurf gefallen lassen, nur ein Handlanger seines Zwillingsbruders Jaroslaw zu sein.

Dieser nämlich ist nicht nur Parteivorsitzender der regierenden PiS, sondern gilt als graue Eminenz hinter den Kulissen der polnischen Politik. Während der Urteilsverkündung des Verfassungsgerichts kommentierte Jaroslaw Kaczyński für das erzkatholische Radio Maryja und TV Trwam live die Ausführungen der Richter. Ihm gegenüber: Ein Priester in schwarzer Kutte, der immerfort zu den offensichtlich gottgefälligen Äußerungen des PiS-Parteichefs nickte. Statt die gravierenden Fehler seiner Partei bei der Formulierung des Mediengesetzes einzuräumen, drohte Kaczyński den Richtern eine Gesinnungsprüfung an. Sie seien schließlich keine „Versammlung der Weisen“, verkündete er den Gläubigen. Die politischen Bindungen der einzelnen Richter sollten daher in einer „offen geführten Diskussion“ überprüft werden.

Beobachter gehen denn auch davon aus, dass die mit dem Spruch der Verfassungsrichter gekippte Ethikzensur des neuen Rundfunkrats in anderer rechtlicher Form wiederkehren wird. Denn obwohl Präsident Kaczyński die der PiS nahe stehende Elzbieta Kruk überhaupt nicht zur Vorsitzenden hätte ernennen dürfen, bleiben jetzt von ihr bereits gefällte Entscheidungen in Kraft. Besonders umstritten ist eine Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 125 Millionen Euro, die der Privatsender PolSAT für die Radio-Maryja-Satire einer bekannten Feministin bezahlen soll. GABRIELE LESSER