Rückzug aus der Kampfzone

Der neue Leiter der Rütli-Hauptschule betreibt Imagepflege. Die Probleme sollten nicht für den Wahlkampf missbraucht werden. CDU-Spitzenkandidat Pflüger fordert erneut Ausweisung „ausländischer Intensivstraftäter“ – aber nur als letztes Mittel

VON TORSTEN GELLNER
UND MATTHIAS LOHRE

Der neue, kommissarische Leiter der Rütli-Hauptschule, Helmut Hochschild, bemüht sich darum, die prominente Schule aus dem Fokus der Öffentlichkeit zu nehmen. „Wir wollen ab sofort wieder in Ruhe pädagogische Arbeit leisten“, sagte Hochschild, der die Schulleitung für die kommenden drei Monate übernommen hat. Dazu dürften Lehrer wie Schüler nicht mehr von den Medien belagert werden, sagte Hochschild gestern auf einer Pressekonferenz.

Hochschild forderte vom Senat mehr Geld und Personal für die Rütli-Schule. „In der Vergangenheit mussten Lehrer Vertretungsstunden halten, statt Probleme aufzuarbeiten“, sagte er. Zudem wünscht er eine bessere Verzahnung zwischen Schule und Jugendamt. „Am besten wäre es, wenn ein Mitarbeiter vom Jugendamt permanent vor Ort wäre“, sagte er. Auch den Kontakt zu den Eltern will er verbessern, sie seien bereits zu Gesprächen eingeladen worden.

Hochschild versuchte auch das arg lädierte Image der Neuköllner Hauptschule aufzubessern. Bei seinem Besuch der Schule am Donnerstagabend habe er keine „chaotischen Zustände“ vorgefunden. „Schlagworte wie Hass-Schule sind absolut unzutreffend“, schlussfolgerte er. Vielmehr sei er auf Schüler und Lehrer getroffen, welche die Probleme „klar im Blick haben und die Arbeit an diesem Standort fortsetzen wollen“.

Hochschilds Vorgängerin, die bisherige kommissarische Schulleiterin Petra Eggebrecht, stellte die Situation viel dramatischer dar. Emotional sichtlich aufgewühlt schilderte sie, wie sich die Lehrer im Stich gelassen fühlten und mit den Problemen nicht mehr fertig geworden seien. „Es war alles so, wie wir in unserem Brief geschrieben haben“, betonte sie. Ihre Schule sieht Eggebrecht als „Opfer einer gescheiterten Integrationspolitik“, die letztlich zu einer „Ghettoisierung“ geführt habe.

Schließlich gingen von der Pressekonferenz noch zwei Appelle aus: Katrin El-Mahmoud, die Schülersprecherin der Rütli-Hauptschule, bat die Journalisten, künftig „keinen Scheiß mehr über uns zu schreiben“. Und der neue Schulleiter appellierte an die politische Klasse, das Thema nicht für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen.

Währenddessen versuchte der CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger gestern nach Kräften, aus der rechten Ecke herauszukommen, in die er in der vergangenen Woche durch eine Äußerung geraten war. Zwar sprach sich Pflüger erneut dafür aus, „ausländische Intensivstraftäter, auch wenn sie noch zur Schule gehen, in ihr Herkunftsland“ abzuschieben. Das sei aber nur die „allerletzte Konsequenz“. Schon bei ersten Straftaten müssten Jugendliche spüren, „dass das Konsequenzen hat“. Beispielsweise durch Kurzarrest, Fahrverbote und die Einführung von Meldepflichten. Im Übrigen stünde im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Bundesregierung in puncto Abschiebung das Gleiche: „Das ist überhaupt nichts Revolutionäres.“

Pflüger forderte, Kinder sollten erst eingeschult werden, wenn sie ausreichend Deutsch sprechen. Wer mit vier Jahren einen Deutschtest nicht bestehe, für den müsse es eine Vorschulpflicht geben. Auch eine Deutschpflicht an Schulen nach dem Vorbild der Herbert-Hoover-Realschule in Wedding hält der CDU-Spitzenmann für hilfreich. Dem rot-roten Senat warf Pflüger vor, in den vergangenen vier Jahren rund 100 Jugendfreizeiteinrichtungen geschlossen zu haben: „Das führt nicht zu einer besseren Integration.“

Seinen Spagat zwischen Härte und Hilfe für problematische Jugendliche brachte Pflüger selbst am besten auf den Punkt: „Schreiben Sie jetzt nicht ‚Pflüger rudert zurück‘.“

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