Den Schulalltag billig bewältigen

Für die einen sind 1-Euro-Jobs eine willkommene Unterstützung in den Schulen, für die anderen ist es Billig-und Zwangsarbeit. Bei einer hitzigen Diskussionsrunde im Abgeordnetenhaus treffen beide Seiten aufeinander

Was haben die viel diskutierten Zustände an den Berliner Schulen mit den umstrittenen 1-Euro-Jobs gemein? Mehr, als mancher denken mag. Denn immer mehr Schulen greifen auf die vom Arbeitsamt geschickten Billigarbeiter zurück, um ihr pädagogisches Angebot zu erweitern. Dabei geraten sie zwischen die Fronten aus Praktikern auf der einen und Hartz-IV-Kritikern auf der anderen Seite.

So viel wurde am Montagabend auf einer Diskussion deutlich, zu der die Grünenfraktion ins Abgeordnetenhaus eingeladen hatte. Das Reizthema Hartz IV zieht das Publikum immer noch stark an – rund 100 Besucher drängelten sich in einem engen Saal des Parlamentsgebäudes.

Nach den Erfahrungsberichten aus einer Schule und einer Kita wurde schnell das Grundproblem deutlich: Weil der Staat auf Steuereinnahmen verzichtet und deshalb kein Geld hat, baut er – erst recht im bettelarmen Berlin – Personal im Bildungsbereich ab, um Kosten zu sparen. Den Schulen und Kindertagesstätten fehlen diese Mitarbeiter, um den Kindern eine vernünftige Betreuung und Ausbildung anbieten zu können. So helfen sich die Einrichtungen mit öffentlich geförderter Beschäftigung weiter.

Früher waren das Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen; heute sind es überwiegend 1-Euro-Jobs, schließlich lässt sich mit denen die Arbeitslosenstatistik am einfachsten schönen: je mehr umso besser. Dass die 1-Euro-Jobs in hohem Maße fragwürdig, weil entwürdigend sind, ist den Einrichtungen tendenziell egal – sie nehmen, wen sie kriegen können. Und sie trösten sich damit, dass manch Betroffener seinen 1-Euro-Job gern macht, weil er etwas Sinnvolles tun kann und das bisschen zusätzliche Geld immer noch mehr ist als nichts.

Für Schulen und Kitas sind die 1-Euro-Jobber nützlich. Ohne sie würde ihr das Wasser oft bis zum Hals stehen, sagte eine Kita-Chefin aus Marzahn-Hellersdorf. Nicht anders in der Schule: Die Jobber hielten den Betrieb der Schulbibliothek aufrecht, unterstützten die Kinder im Computerraum oder seien einfach „Menschen mit Herz“, die sich auch mal die Zeit nehmen, einem Kind die Schuhe zuzubinden, berichtete eine Grundschulleiterin aus Friedrichshain-Kreuzberg. Damit würde man Menschen wieder eine Chance geben zu arbeiten, die dies schon lange nicht mehr konnten.

Diese Position rief im Publikum lautstarke Proteste hervor. „Ich finde es nicht korrekt, wenn Zwangsarbeit als Wohltätigkeit verkauft wird“, erregte sich eine Zuhörerin. Eine andere bezeichnete die freien Träger, die für die Vermittlung von 1-Euro-Jobbern bezahlt werden, als „wahre Parasiten“ der Hartz-Reform.

Dies war der Punkt, an dem Diskussionsleiterin und Grünen-Fraktionschefin Sibyll Klotz durchgreifen musste. Sie bat, sachlich zu bleiben. Ihr Vorschlag: Man solle im Bildungsbereich öffentlich geförderte Tätigkeiten definieren, für die sozialversicherungspflichtige Stellen einzurichten seien, und solche, die für 1-Euro-Jobber geeignet seien. Den tiefen Graben zwischen Hartz-IV-Nutzern und -Kritikern konnte sie damit an diesem Abend aber nicht zuschütten. RICHARD ROTHER