Gefahr bleibt gering

VON BEATE WILLMS

Die Vogelgrippe ist in Deutschland nun auch bei Nutzgeflügel ausgebrochen. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) für Tiergesundheit bestätigte gestern, dass das auch für Menschen gefährliche Virus H5N1 in einem Betrieb im sächsischen Mutzen aufgetreten ist.

Es wurde in zwei Puten der Eskilden-Gänsezucht Wermsdorf nachgewiesen, die am Sonntag tot aufgefunden worden waren. Bis gestern waren dort rund 700 weitere Tiere gestorben, die restlichen mehr als 16.000 Puten, Gänse und Hühner sollten umgehend getötet werden. Geflügelfleisch aus dem Bestand, das in den letzten Tagen an Schlachtbetriebe geliefert worden war, wurde vernichtet. Die Behörden richteten in einem Radius von drei Kilometern um den Zuchtbetrieb eine absolute Sperrzone ein, im erweiterten Umkreis von zehn Kilometern sollen Vögel beobachtet werden.

Unklar ist bislang, wie sich die Tiere anstecken konnten. „Die Krankheit entsteht nicht im Stall“, sagt Maria Krautwald-Junghanns, Expertin für Vogelkrankheiten an der Universität Leipzig. Wahrscheinlicher sei, dass das Virus „von außen“ übertragen worden sei, etwa über den Kot infizierter Wildvögel. Zwar wurde bislang in Sachsen noch kein einziger solcher Vogel gefunden, aber „das heißt nicht unbedingt, dass Wildvögel in Sachsen nicht von der Vogelgrippe betroffen sind“, sagte FLI-Sprecherin Elke Reinking. Mögliche Infektionswege seien aber auch Tiertransporte, Stallstreu oder Futter. Ein Epidemologe soll sich bald vor Ort mit der Frage befassen.

Der betroffene Geflügelzüchter muss mit einem massiven finanziellen Verlust rechnen: Von der Sächsischen Tierseuchenkasse, die für die Entschädigung zuständig ist, bekommt er, wie deren Geschäftsführerin Sylke Klepsch bestätigte, für seine 8.000 Puten, 4.350 Gänse, 600 Junggänse und 3.350 Hühner nur den derzeitigen Verkaufswert ersetzt – das ist vermutlich erheblich weniger als mit den ausgewachsenen Tieren zu erzielen gewesen wäre (siehe Interview). Die Geflügelwirtschaft insgesamt befürchtet weniger, dass sich die Seuche nun schnell ausbreitet, sondern eher, dass die Nachfrage weiter einbricht. Noch 2004 erwirtschafteten die rund 45.000 Beschäftigten der Branche einen Umsatz von rund 5 Milliarden Euro. Seit dem ersten Auftreten der Vogelgrippe außerhalb Asiens im letzten Herbst sind viele Verbraucher auf andere Fleischsorten umgeschwenkt. Beim Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft nennt man Umsatzeinbußen von bislang rund 150 Millionen Euro. Hier hat die Europäische Kommission in der letzten Woche den Weg für Hilfen wie Stützungskäufe oder auch direkte Subventionen frei gemacht. Bis zu 50 Prozent des Geldes sollen dafür aus europäischen Töpfen kommen. Wie das aber konkret ablaufen soll, ist noch offen.

Ökonomen warnen jedoch vor den volkswirtschaftlichen Folgen einer hohen Subventionierung: Beihilfen können zwar die Preise für Geflügelprodukte stabilisieren. Da aber zugleich beispielsweise Schweine- und Rindfleisch wegen der verstärkten Nachfrage nach Alternativen teurer werden dürfte, steigt die Inflation.

Allerdings bleibt abzuwarten, ob die Verbraucher nun tatsächlich kein Geflügel mehr kaufen. Denn zumindest die objektive Gefahr ist nach Ansicht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) weiterhin äußerst gering. Bislang ist kein Fall bekannt geworden, in dem die Infektion über Lebensmittel übertragen wurde. Ansteckungen gab es nur beim direkten Kontakt mit infiziertem Geflügel. Zudem verläuft die Vogelgrippe zumindest bei Puten und Hühnern so rasant, dass die Tiere binnen weniger Stunden nach der Ansteckung sterben – die Wahrscheinlichkeit, dass Eier oder Fleisch aus infizierten Beständen in den Handel gelangen, ist „sehr gering“, heißt es beim BfR. Trotzdem empfehlen die Risikobewerter, Hygienemaßnahmen einzuhalten. So sollen Geflügelprodukte getrennt von anderen Lebensmittel gelagert und bei der Zubereitung bei mindestens 70 Grad durchgegart werden.