WASG streicht WASG vom Wahlzettel

Der Bundesvorstand der Wahlalternative einigt sich mit der Berliner PDS auf ein Programm für die Abgeordnetenhauswahl. Der Landesverband der WASG soll nun den Wahlantritt selbst zurücknehmen – oder er wird vom Bundesvorstand abgemeldet

VON RICHARD ROTHER

April, April, der weiß nicht, was er will. Wie dem Wetter geht es derzeit auch der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG). Vor drei Wochen hieß es noch, ein eigenständiger Antritt des Berliner Landesverbandes bei den Abgeordnetenhauswahlen im September schade der gemeinsamen Bundestagsfraktion von Linkspartei.PDS- und WASG-Mitgliedern keineswegs. Gestern aber relativierte der WASG-Bundesvorstand diese Position. Und fuhr gleich schwere Geschütze gegen die Berliner Abweichler auf, die in der Partei hinter vorgehaltener Hand längst „Spalter“ genannt werden. Werde der Berliner Landesvorstand seine Anmeldung für die Wahl nicht zurückziehen, so werde dies der Bundesvorstand tun, drohte Axel Troost vom WASG-Bundesvorstand.

Zuvor hatten sich Spitzenvertreter von WASG und PDS auf ein Eckpunktepapier geeinigt, das als Grundlage für einen gemeinsamen Wahlantritt dienen soll. So soll sich ein gemeinsames Wahlprogramm gegen die Privatisierung der Wohnungsbaugesellschaften und der Berliner Sparkasse aussprechen. Als weitere politische Ziele wurden ein Stopp von Hartz-IV-Zwangsumzügen genannt sowie die mittelfristige Anpassung der Berliner Tarifverträge im öffentlichen Dienst an bundesweite Standards. Die Berliner WASG wirft dem rot-roten Senat neoliberales Handeln vor.

Oskar Lafontaine, Chef der Linksfraktion im Bundestag, kritisierte diese Haltung gestern. „Die Schlacht um den Neoliberalismus wird nicht in den Ländern und Gemeinden geschlagen, sondern im Bundestag.“ Wenn Kita-Gebühren sozial gestaffelt werden, sei hier durchaus eine linke Handschrift zu erkennen. Das neue Positionspapier sei eine Grundlage für einen gemeinsamen Wahlkampf in Berlin, so Lafontaine.

Axel Troost sagte, ein getrennter Wahlantritt sei mit dem gemeinsamen Papier nicht mehr notwendig, „weil es keine inhaltlichen Differenzen mehr gibt“. Es gebe nun „eine ganz neue Situation“, über die diskutiert werden müsse. Der Berliner Landesverband soll beim Landesparteitag am 22. April den Verzicht auf den eigenständigen Wahlantritt beschließen. Geschehe dies nicht, werde dies der Bundesvorstand am darauffolgenden Tage tun. Dazu sei er satzungsgemäß befugt. Diesen Schritt müsse aber noch der WASG-Bundesparteitag Ende April bestätigen.

Berlin werde eine arme Stadt bleiben, konstatierte der Berliner Linkspartei.PDS-Chef Klaus Lederer. Daher seien die Spielräume gering. Der Berliner WASG warf Lederer vor, keine Gemeinsamkeiten gesucht zu haben. „Wir lassen uns nicht vorführen“, so Lederer. Auf dem heutigen Landesparteitag der PDS werde das neue gemeinsame Positionspapier noch nicht diskutiert werden können. Dafür bleibe aber noch genügend Zeit.

Der Berliner WASG-Landesvorstand kritisierte den Vorstoß der WASG- und Linkspartei-Spitzen gestern als „undemokratisch und autoritär“. Die Tatsache, dass Bewegung in die Linkspartei.PDS komme, sei auf die „prinzipienfeste Haltung der Berliner WASG in den letzten Monaten“ zurückzuführen. Das neue Positionspapier werde aber geprüft, signalisierten die Berliner ein gewisses Entgegenkommen. Eine gemeinsame Kandidatur sei aber nur möglich, „wenn es einen nachprüfbaren substanziellen Politikwechsel gibt“.

Beide Parteigremien sehen ihre Position durch Basisabstimmungen bestätigt. In Berlin hatte eine hauchdünne Mehrheit für einen eigenständigen Wahlantritt votiert; bundesweit hatten sich knapp vier Fünftel für den Fusionsprozess beider Parteien ausgesprochen. Völlig zugeschlagen sind alle Türen aber noch nicht – in der WASG artikuliert sich bereits eine Position, die als Kompromiss dienen könnte. Diese kritisiert einerseits das Vorgehen des Bundesvorstands als nicht demokratisch, hält aber auch einen eigenständigen Wahlantritt von Landesverbänden für ein „Splitterprojekt“.

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