Hartz-IV-Zwangsumzüge
: Das Private ist politisch

Es reicht nicht, hierzulande nur arbeitslos zu sein. Die Betroffenen müssen sich dem Amt gegenüber auch noch so offenbaren, als hätten sie sich etwas zuschulden kommen lassen. Nicht nur, was sie alles können, aber aufgrund der Arbeitslosigkeit nicht anwenden können, muss aufgeführt werden. Auch, mit wem sie in welchem räumlichen Umfang und in was für einer Art von Beziehung zusammenleben. Am deutlichsten wird die Überschreitung der Privatsphäre bei der Bemessung der zulässigen Wohnkosten. Zur Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen Erniedrigung kommt also noch die Angst vor dem Verlust des privaten Rückzugsraums. Dabei wollen die Betroffenen einfach nur menschenwürdig leben.

Kommentar vonWaltraud Schwab

Wenn die Kampagne gegen Zwangsumzüge in Berlin nun Alarm schlägt, weil die Jobcenter auch Menschen auffordern, ihre Wohnkosten zu senken, obwohl für sie eigentlich Ausnahmeregelungen gelten, dann ist nicht klar, gegen wen sich die Entrüstung richtet. Gegen die Leute von der Hartz-Behörde? Oder gegen den Senat? Letzterer hat in Berlin, wo er zuständig ist, akzeptable Ausnahmeregelungen für die Bemessung der Wohnkosten geschaffen. Die Hartz-Behörden sind dagegen bis heute nicht in der Lage, das Chaos, das die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe mit sich brachte, richtig zu meistern. Dafür gibt es keine Entschuldigung, aber die Ursache fürs Chaos sind sie nicht.

Was also bewirkt der Aufschrei der Kampagne? Zur ohnehin schon großen Verunsicherung schürt er noch Panik. Damit aber wird am wenigsten erreicht, was Not tut: nämlich die Stärkung der Betroffenen und eine größere gesellschaftliche Bereitschaft, Prostest gegen die soziale Ungerechtigkeit auf die Straße zu tragen.