1. Mai: Parade statt Parolen

Mit dem Euromayday 2006 starten linke Gruppen ein neues Konzept für den Kreuzberger 1. Mai. Statt einer Demonstration soll es eine Parade mit lauter Musik geben. Der Plan ist aber umstritten

VON CHRISTIAN HONNENS

Die traditionelle „revolutionäre 1.-Mai-Demonstration“ bekommt Konkurrenz: Ein Bündnis aus linken Gruppen und Kulturinitiativen will den Tag der Arbeit in Kreuzberg wieder stärker mit politischen Inhalten füllen. Ihr Plan: Sie wollen die Euromayday-Parade nach Berlin holen.

Für das Bündnis steht fest, dass es mit dem Kampftag der Arbeiterklasse nicht wie bisher weitergehen kann: „Die Repolitisierung der revolutionären 1.-Mai-Demos ist in den letzten Jahren gescheitert und der Tag eher zum Ritual ohne politische Inhalte geworden“, kritisiert Mark Schulz. Er ist Sprecher der Gruppe „Fels – Für eine linke Strömung“, die den Berliner Euromayday initiiert.

Der Mayday ist als politische Demonstration angemeldet und soll wie eine Parade aussehen. Geplant ist, dass der Zug mit mehreren bunten Wagen und lauter Musik vom Spreewaldplatz über die Neuköllner Kieze zum Hermannplatz zieht und dort mit einem Konzert endet.

Gemeinsam mit anderen Gruppen aus dem Mayday-Bündnis hatte sich die Gruppe Fels in der Vergangenheit an den traditionellen revolutionären 1.-Mai-Demos um 18 Uhr ab Oranienplatz beteiligt.

Vielen linken Gruppen ist die ritualisierte Gewalt am Abend des 1. Mai zu unpolitisch geworden, genauso wie das Myfest der Bezirksverwaltung – ein Straßenfest, das den Kreuzberger 1. Mai vor allem befrieden soll. Während einige linke Gruppen das Mayday-Konzept daher begrüßen, wird es in Diskussionsforen im Internet von anderen Teilen als zu „zahm“ und „reformistisch“ abgelehnt. Auch mit den Globalisierungskritikern von Attac wollen nicht alle Autonomen gemeinsam demonstrieren.

Doch genau das ist Teil des Konzeptes der Mayday-Initiatoren: Gemeinsam mit einem breiten Bündnis will man sich für „globale soziale Rechte“ einsetzen. Im Mittelpunkt steht die Kritik an immer unsichereren Arbeits- und Lebensverhältnissen. „Wir protestieren sowohl gegen Jobs ohne Verträge als auch gegen Abschiebung. Das Leben der Menschen wird allgemein immer prekärer“, erklärt Schulz.

Die Mayday-Paraden gibt es in anderen europäischen Städten bereits seit einigen Jahren: 2001 fand in Mailand mit ein paar tausend Teilnehmern die erste statt. Im vergangenen Jahr nahmen bereits über 200.000 Menschen in 19 Städten teil – von Helsinki bis Palermo.

Mit Hamburg beteiligte sich 2005 erstmals eine deutsche Stadt. Über 4.000 Menschen kamen. „An diesen Erfolg wollen wir anknüpfen“, hofft Schulz.

Schon im vergangenen Jahr gab es auch für Berlin erste Pläne für den Mayday. Die Umsetzung scheiterte jedoch am Widerstand großer Teile der linken Szene. Wie viele Personen an der Parade in diesem Jahr teilnehmen werden, können die Veranstalter daher nicht sagen. Wohl auch, weil noch unklar ist, ob neben der traditionellen „revolutionären 1.-Mai-Demo“ um 13 Uhr noch weitere linke Demonstrationen in Kreuzberg stattfinden werden. Nach Polizeiangaben ist bisher nur die um 13 Uhr angemeldet.

Immerhin ruft Berlins größte Antifa-Gruppe, die Antifaschistische Linke Berlin (ALB), zum Euromayday auf – genauso wie allerdings zu allen anderen politischen Aktivitäten am 1. Mai auch. Trotzdem hofft die ALB auf eine große Resonanz des Maydays. „Wenn der 1. Mai in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit politischer wird, ist das ein Erfolg“, sagt ALB-Sprecher Michael Kronawitta. Seine Gruppe, die noch vor zwei Jahren maßgeblich den 1. Mai organisiert hatte, war im vergangenen Jahr kaum mehr eingebunden. Auch in diesem Jahr sind sie nicht dabei, weil sie gegen den Naziaufmarsch in Rostock protestieren wollen.

Doch im nächsten Jahr heißt es für die Antifa wieder: Back to the roots. Denn 2007 feiert der revolutionäre 1. Mai in Kreuzberg sein 20-jähriges Jubiläum. Dafür plant die ALB eine große Mobilisierung – auch als „Warming-up“ für den G-8-Gipfel in Heiligendamm.