Rechenschwäche in Uniform

Polizeipräsident Dieter Glietsch hat sich eine „Personalbedarfsermittlung“ vorlegen lassen. Allerdings stimmen die Hochrechnungen über die Entwicklung des Polizeipersonals hinten und vorne nicht

VON OTTO DIEDERICHS

Kann die Berliner Polizei nicht rechnen? Schon bei den parlamentarischen Haushaltsberatungen im vergangenen Jahr konnte man diesen Eindruck gewinnen. Wochenlang präsentierten Innensenator Ehrhart Körting, Finanzsenator Thilo Sarrazin (beide SPD) und Polizeipräsident Dieter Glietsch gänzlich unterschiedliche Polizei-Personalzahlen im Abgeordnetenhaus. Die Spannbreite reichte dabei locker von 16.200 bis zu 18.000 Polizisten und Polizistinnen. Hinter den Kulissen hatte man sich indes schon längst mit der Gewerkschaft der Polizei darauf geeinigt, in jedem Fall eine Mindeststärke von rund 16.100 Beamten und Beamtinnen beizubehalten.

Auf dieser Grundlage hat Polizeipräsident Glietsch nun eine „Personalbedarfsermittlung für die Schutz- und Kriminalpolizei“ bis zum Jahr 2011 errechnen lassen, die der taz vorliegt. Demnach liegt die Polizeistärke der Hauptstadt in diesem Jahr bei exakt 16.546 VollzugsbeamtInnen. Da nach vier Jahren Abstinenz erstmalig wieder im kommenden Herbst Nachwuchspolizisten und -polizistinnen mit einer Ausbildung beginnen und frühestens nach drei Jahren ihren Dienst antreten werden, sinkt die Zahl der Ordnungshüter bis 2009 auf 15.857. Erst danach steigt sie bis 2011 langsam wieder auf 15.946 PolizistInnen an.

Das klingt zunächst plausibel, auch wenn die ursprüngliche Vereinbarung spätestens in zwei Jahren kontinuierlich unterschritten werden wird. Sieht man sich die zahlreichen Tabellen, mit der die Hochrechnung gespickt ist, genauer an, merkt man aber schnell, dass irgendetwas nicht stimmt und es so kaum gehen kann: Allein von den 300 Azubis, die im Herbst ihre Polizeikarriere in Angriff nehmen wollen, werden erfahrungsgemäß nicht alle bis zum Schluss durchhalten.

Durchschnittlich liegt die Ausfallquote durch Ausbildungsabbruch und nicht bestandene Prüfungen immer bei etwa 10 Prozent. Glietschs Vorrechner geht jedoch vorsichtshalber nur von maximal 5 Prozent aus, um sein Ergebnis nicht allzu sehr zu gefährden. Trotz des somit schon einkalkulierten Schwundes vermehren sich die „geplanten Zugänge Ausbildungsende“ dann im Jahr 2009 mysteriöserweise auf 346. Wie dies gelingen kann, muss derzeit offen bleiben. Von einem Klonen von Polizeischülern ist zumindest bisher nichts bekannt geworden.

Auch im Folgejahr hält das Wunder in den Ausbildungsstätten der Polizei in Ruhleben, Spandau und Friedrichsfelde an. Von den insgesamt 426 Polizei-Auszubildenden, die 2007 an den Start gehen, kommen der Berechnung zufolge 474 auf den Polizeiabschnitten an. Erst danach soll es statt Zuwachs wieder Schwund geben.

Zweites Beispiel Personalabgänge: Hier errechnet der polizeiliche Chefmathematiker in seiner Zwischenbilanz eine Zahl von 363 BeamtInnen, die im Laufe dieses Jahres aus dem Dienst ausscheiden werden – um in seiner Endtabelle schließlich auf 303 zu kommen. 2007 werden aus ursprünglichen 321 Ausscheidenden am Ende dann 311. Doch es geht auch andersherum, wenn beispielsweise im Jahr 2009 aus ursprünglich 377 Pensionären zum Schluss überraschend 401 werden.

Aber genug mit dem Zahlensalat: Nach Auskunft der Gewerkschaft der Polizei (GdP) fehlen nämlich auch dann noch etwa 90 Kollegen, die wegen Erreichen der Altersgrenze, Frühpensionierung, vorzeitigem Ableben, Entlassung oder sonstigen Gründen die Polizei verlassen. „Nach unseren Erfahrungen“, sagt Eberhard Schönberg, der Landesvorsitzende der GdP, „ist erfahrungsgemäß mit rund 500 Abgängen pro Jahr zu rechnen“. So bleibt als Fazit nur: Mit der Berliner Polizei kann man immer rechnen – solange es dabei nicht um Additionen geht.