Politisches Aufräumen nach der Elbeflut

Während das Hochwasser zurückgeht, fordert die SPD-Opposition im Niedersächsischen Landtag FDP-Umweltminister Sander zum Rücktritt auf: „Flut verpennt“. Brandenburg verweigerte die Entlastung durch die Öffnung der Havel-Polder

AUS HANNOVER JÜRGEN VOGES

Die Pegelstände in den niedersächsischen Hochwassergebieten sind gestern kräftig um rund einen Zentimeter pro Stunde gesunken. Auch in der Altstadt von Hitzacker gab die Elbe einen Großteil der Straßen und Häuser wieder frei. Zudem floss wieder Strom in den Leitungen der Altstadt, und viele Anwohner konnten immerhin mit dem Putzen und Aufräumen beginnen.

Die von der Katastrophe betroffenen Landkreise Lüneburg und Lüchow-Dannenberg mussten die durchweichten Deiche an Elbe und Jeetzel zwar weiter beobachten, konnten aber wieder einige hundert Katastrophenhelfer nach Hause schicken. Von Wochenanfang bis gestern Mittag sank die Zahl der eingesetzten Feuerwehrleute, Soldaten oder Kräfte des THW von weit über 6.000 auf rund 4.000. Der Landkreis Lüchow-Dannenberg kündigte an, am Donnerstag über die Aufhebung des Katastrophenalarms zu entscheiden.

Während die Bewohner der Hochwassergebiete langsam aufatmen und an bedürftige Flutopfer die ersten Soforthilfen ausgezahlt werden, begann auf politischer Ebene ein Streit um das Katastrophenmanagement. Der Vize der niedersächsischen SPD-Landtagsfraktion, Ex-Landesinnenminister Heiner Bartling, nahm dabei vor allem Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FPD) ins Visier, dessen Experten die Flut völlig falsch eingeschätzt hatten. Der Umweltminister habe die Katastrophe „schlicht verpennt“, meinte Bartling. Während am gegenüberliegenden Elbufer in Mecklenburg-Vorpommern vergangene Woche bereits die Bundeswehr im Einsatz gewesen sei, habe das überflutete Hitzacker noch um Katastrophenalarm betteln müssen. Ministerpräsident Christian Wulff müsse daher seinen Umweltminister aus dem Verkehr ziehen. SPD-Politiker drohten sogar mit einem Untersuchungsausschuss, falls die Landesregierung ihre Versäumnisse „nicht einräumt und aufarbeitet“.

Unstrittig ist, dass die niedersächsischen Flutprognosen daneben lagen. Den Höhepunkt des Hochwassers erwartete das Umweltministerium in Hannover ursprünglich erst am gestrigen Mittwoch und nicht schon am vergangenen Wochenende. Und auch durch die Höhe der Flutwelle wurden die Experten überrascht. Zum Teil fatale Folgen hatte die Fehlprognose für die Einwohner von Hitzacker, die ihre Häuser dann Hals über Kopf ausräumen mussten und nicht ordentlich gegen die Wassermassen sichern konnten. Wie die zuständige Abteilungsleiterin im niedersächsischen Umweltministerium, Almut Kottwitz, gestern erläuterte, waren es vor allen Dingen starke Wasserzuflüsse aus der Havel in die Elbe, die die niedersächsischen Hochwasserprognosen zunichte machten. Während beim Jahrhunderthochwasser des Jahres 2002 Elbwasser in die Havel geströmt war und die Flutung der Havel-Polder den Wasserstand der Elbe gesenkt hatte, war es diesmal umgekehrt. Aus der Havel strömte Wasser in die Elbe. Deswegen habe sich das Hochwasser gerade am Dienstag und Mittwoch vergangener Woche ganz anders entwickelt als prognostiziert. Umweltminister Sander verlangte denn auch am vergangenem Mittwoch vergeblich von Brandenburg, die Havel-Polder erneut zu fluten, um Elbwasser aufzunehmen. Brandenburg lehnte dies mit Hinweis auf den zu hohen Wasserstand des Nebenflusses ab. Ministerpräsident Wulff nahm dies später zum Anlass, ein gemeinsames Hochwassermanagement aller Bundesländer an der Elbe anzumahnen. Die niedersächsische Landesregierung wurde von den Fehlprognosen kalt erwischt. Der zuständige Innenminister, Uwe Schünemann, reiste nach Kasachstan, Regierungschef Wulff weilte in Südafrika.