Im Rausch des Urans

Präsident Ahmadinedschad zählt den Iran ab sofort zu den Atommächten – und feiert das ausgiebig

Bei der Feier trugeine Trachtengruppeden „Yellow cake“zum heiligen Schrein

VON BAHMAN NIRUMAND

„Wir gehören von nun an zu den Atommächten der Welt.“ Dies gab Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad am Dienstag in einer Fernsehansprache aus der heiligen Stadt Maschhad bekannt. Iranische Wissenschaftler hätten es am 9. April endlich geschafft, Uran bis zu einem Grad anzureichern, der für den vollständigen nuklearen Brennstoffkreislauf erforderlich ist, sagte der Präsident. Dies sei eine „historische Errungenschaft“, das „Ergebnis des Widerstands des iranischen Volkes“. Er gratulierte dem Revolutionsführer, dem iranischen Volk, den Märtyrern und der Jugend zu diesem großen Erfolg.

Schon seit Tagen hatten die iranischen Medien angekündigt, der Präsident habe dem Volk eine „beglückende Nachricht“ mitzuteilen. Die Spannung auf die Rede steigerte sich, als Gerüchte kursierten, Ahmadinedschad werde bekannt geben, dass der Iran bereits die Bombe besitze.

Doch wenige Stunden vor der zeremoniell vorbereiteten Ankündigung stahl der zurzeit in Kuwait weilende Ex-Staatspräsident Haschemi Rafsadschani dem Präsidenten die Schau. In einem Interview mit einer kuwaitischen Nachrichtenagentur gab er bekannt, Iran habe 164 Zentrifugen zum Einsatz gebracht und durch Zufuhr von Gas (Uranhexaflorid, siehe unten) die Schließung des atomaren Brennstoffkreislaufs und die industrielle Produktion erreicht.

Rafsandschani, der zu den mächtigsten Rivalen Ahmadinedschads zählt, konnte sich auch nicht verkneifen, diese Bekanntgabe mit einer Ermahnung der Regierung zu verbinden. „Ich fordere die iranische Verhandlungsdelegation im Atomkonflikt auf, vernünftige Entscheidungen zu treffen, nicht emotional zu handeln und in dem Konflikt Normalität einkehren zu lassen“, sagte er. Die Intervention Rafsandschanis deutet auf einen Machtkampf hin, der seit der Wahl Ahmadinedschads im Lager der Konservativen tobt.

Ahmadinedschad ließ sich die Freude nicht verderben. Während ihm der oberste Geistliche der Provinz Vaez Tabasi und der Oberkommandierende der Streitkräfte General Firusabadi zur Seite standen und Friedenstauben die mit dem Emblem der internationalen Atomenergiebehörde IAEO geschmückte Nationalflagge umkreisten, sagte er: „Feinde können die iranische Nation nicht vom Pfad des Fortschritts abbringen.“ Der Iran werde die Anreicherungstechnologie so lange weiter entwickeln, bis die Atomkraftwerke des Landes mit Brennstoff versorgt werden könnten. Dies sei der Wille des iranischen Volkes gewesen und die Regierung werde sich daran halten.

Ahmadinedschad betonte, das iranische Atomprogramm werde ausschließlich friedlichen Zwecken dienen. „Für uns bilden Wissenschaft und Glauben eine Einheit, und unser Glauben dient dem Frieden“, sagte er. Die friedliche Nutzung der Atomenergie sei ein verbrieftes Recht des Irans, und dieses Recht müsse der Westen akzeptieren. Das Atomprogramm werde im Rahmen des internationalen Rechts unter der Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien durchgeführt, versicherte der Präsident.

Der Staatschef appellierte an die Bevölkerung, ein Volksfest zu veranstalten und diesen „Nationaltag“ mit erhobenem Haupt zu feiern. Bei der Zeremonie, die live übertragen wurde, trug eine mit verschiedenen traditionellen Volkstrachten gekleidete Gruppe den „Yellow cake“ (siehe unten) zum heiligen Schrein. Radio und Fernsehen unterbrachen immer wieder ihre Programme, um – begleitet von Revolutionsliedern – die „beglückende Nachricht“ zu verkünden.

Doch in der Bevölkerung ist die Stimmung geteilt. Berichte der letzten Tage über einen möglichen militärischen Angriff der USA werden ernst genommen. Die Ankündigung sei ein Spiel mit dem Feuer, warnten vorsichtig einige Kommentatoren.

Die USA haben die Urananreicherung scharf kritisiert. Sie sei „ein weiterer Schritt des iranischen Regimes, die internationale Staatengemeinschaft herauszufordern“, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums. Erstaunlich war auch, dass Russland das Vorgehen verurteilt hat, obwohl es aufgrund seiner guten Wirtschaftsbeziehungen zum Iran ansonsten recht behutsam mit Teheran umgeht. „Der Schritt widerspricht den Entscheidungen der IAEO und der Erklärung des UN-Sicherheitsrats“, sagte ein Sprecher des Moskauer Außenministeriums. Peking hingegen appellierte an die Beteiligten, den Weg der Diplomatie nicht zu verlassen und den Konflikt friedlich zu lösen.

Der UN-Sicherheitsrat hatte am 27. März den Iran aufgefordert, innerhalb eines Monats sein Atomprogramm vollständig auszusetzen. Es ist noch nicht sicher, ob sich die ständigen Ratsmitglieder nun am 28. April auf Sanktionen gegen Iran einigen können. Der Generalsekretär des Obersten Sicherheitsrats, Ali Laridschani, sagte, sein Land sei auf alles vorbereitet und werde auf jede Entscheidung entsprechend reagieren. Gestern ist der Direktor der IAEO, Mohammed al-Baradei in den Iran gereist, um von Teheran konkretere Informationen über die Atomaktivitäten zu erhalten. Ahmadinedschad betonte unterdessen: „Iran wird nicht um einen Deut von seinem nationalen Recht abweichen. Wir werden mit Klugheit und geballter Kraft den Willen des Volkes durchsetzen.“