Der Iran bedroht alle

Israel sucht den Schulterschluss mit Washington, ein Militärschlag erscheint jedoch unwahrscheinlich

JERUSALEM taz ■ Wenig überrascht reagiert man in Israel auf die iranische Ankündigung, sich in Kürze dem internationalen „Atom-Club“ anzuschließen, wie Präsident Mahmud Ahmadinedschad die erfolgreiche Urananreicherung umschrieb. Die Publikmachung in Teheran stimme mit der israelischen Einschätzung überein, sagte ein hoher Beamter des israelischen Abwehrdienstes gegenüber der Online-Ausgabe der Tageszeitung Ma’ariv. Auch das auflagenstärkste Blatt Yediot Achronot zitierte gestern einen Mitarbeiter des militärischen Nachrichtendienstes, der befürchtet, dass sich „Iran auf direktem Weg zur Bombe befindet“.

Sollte das Forschungsprogramm ungestört fortgesetzt werden, könne Teheran bis zum Jahr 2009 in der Lage sein, eine Atombombe abzuschießen, so die Vermutung. Obschon an der Richtigkeit der Veröffentlichung kaum Zweifel besteht, vermuten Militärangehörige taktische Ziele, die erreicht werden sollen, indem man die Welt mit der unabänderbaren Tatsache der gelungenen Urananreicherung konfrontiert. Die Debatte soll demnach auf eine neue Ebene befördert werden, bei der es nur noch um das Ausmaß der Urananreicherung geht.

Eine Nuklearmacht Iran würde „nicht nur Israel, sondern die gesamte freie, demokratische Welt“ bedrohen, warnte Stabschef Dan Halutz im Armee-Radio. „Ich bin überhaupt nicht sicher, ob Israel die Liste der iranischen Angriffsziele anführt“, meinte Halutz, der davon abriet, eventuelle Präventivschläge öffentlich zu debattieren.

Unmittelbar vor seiner Erkrankung sprach der seit gut drei Monaten im Koma liegende Ex-Premierminister Ariel Scharon zwar noch von der möglichen „Notwendigkeit einer militärischen Aktion“, dennoch halten Militärs wie Wissenschaftler einen Alleingang Israels für unwahrscheinlich. „Große Zweifel“, ob Israel überhaupt in der Lage dazu ist, eine militärisch effektive Operation vorzunehmen, hegt der Nahost-Experte Dr. Meir Litvak von der Universität Tel Aviv. Auch sei fraglich, ob die Nachrichtendienste über sämtliche Anlagen informiert sind. „Wenn man auch nur eine Anlage verpasst, hat man nichts erreicht.“

Auch der ehemalige Chef der Arbeitspartei Schimon Peres warnte vor Maßnahmen gegen Teheran, mit denen sich Israel von der weltweiten Kampagne gegen Iran isolieren könnte. Gegenüber dem Armee-Radio riet Peres stattdessen zur Geduld und zu Vertrauen ins Weiße Haus. „Die USA haben das iranische Atomprogramm an die Spitze ihrer Agenda gesetzt“, sagte Peres. SUSANNE KNAUL