JÖRG FAUSER
: Karfreitag

Als er die Schuhe anzog, riß ein Schnürsenkel. Er aß eine Scheibe Brot und eine halbe Zwiebel und trank den Rest Büchsenmilch, mit Wasser gemischt. Er hatte noch 8 Mark 40.

Am Nordfriedhof hockten die Raben in den Bäumen. Von den Bauzäunen rann der Schnee und löste die alten Faschingsplakate ab. Die Kneipen hatten dicht. In der Imbißstube trank er ein schnelles Bier. Es schmeckte nach Plastik. Die Leute waren stumm und starrten ihn an. Auf der Georgenstraße lief er fast einem BMW vor die Haube. Der Fahrer drohte ihm mit der Faust. Im Isabella zeigten sie Filme über die Angst. Die Zeitungskästen waren alle leer.

Zu Hause fand er noch eine Dose Tomatensuppe, löffelte sie mit dem Brot, las einen Spillane, wichste sich einen ab und beschloß, morgen früh aufzustehen, um doch den Toaster zu versetzen. Und er dachte, daß er den ganzen Tag mit zwei Worten ausgekommen war: Ein Bier. Christus am Kreuz hatte mehr gebraucht.

Aus: „Trotzki, Goethe und das Glück“Jörg Fauser, 16. 7. 1944–17. 7. 1987www.joergfauser.de