Haste mal ’ne Idee?

Die Freiräume für Wohnprojekte, Wagenburgen und Szenekneipen schwinden: Die Alternativszene diskutiert bei den 2. Autoorganisationstagen noch bis Montag über ihre Sinnkrise – und Möglichkeiten, wie man dieser begegnen kann

Das Desinteresse in den eigenen Reihen macht den Initiativen zu schaffen

VON PETER NOWAK

Wer demnächst vor dem Supermarkt wieder mal nach Kleingeld gefragt wird, könnte jetzt einfach schlagfertig antworten: „Na, noch nicht zu den Effektiven SchnorrerInnen gewechselt?“ Die fragen nämlich – statt sich die Beine in den Bauch zu stehen oder zu frieren – bei Firmen und Geschäfte nach Waren, die kurz vor dem Verfallsdatum stehen und sowieso weggeworfen werden. Über diese Art modernen Schnorrens und seine Erfolgsaussichten diskutierte am Donnerstag ein kleines Grüppchen in der Offenen Uni in lockerer Runde. Es war eine der Veranstaltungen der 2. Autoorganisationstage, die noch bis Montag dauern. Organisiert von selbst verwalteten Projekten, Kneipen und Zentren geht es in den angebotenen Workshops und Arbeitsgruppen überwiegend um Themen, die sich mit den Aufbau und Erhalt von Alternativprojekten befassen.

Die Themenpalette reicht dabei vom Aufbau einer Umsonstökonomie über die Arbeit in und mit Freien Radios bis zur Vorstellung einer „antifaschistischen Stadtkommune“ – ein Projekt, das derzeit im Nordosten Berlins umgesetzt wird. Deren Mitglieder beteiligen sich auch an den wenigen theoretischen Veranstaltungen im Rahmen der Tage. So wird in der „Kritik der Esoterik“ sicher nicht unerwähnt bleiben, dass dieses Phänomen auch in alternativen Kreisen auf Zustimmung stößt. Ein weiterer Workshop stellt gar das Konzept der alternativen Freiräume grundsätzlich in Frage. „Wohin haben sich die einstmals besetzten Freiräume – nicht nur in Friedrichshain – entwickelt? Doch wohl mehrheitlich zu alternativen Wohlfühlnischen statt zur Infrastruktur eines gesellschaftlichen Widerstands“, heißt es in der Ankündigung.

Solche Grundsatzdebatten sind allerdings eher die Ausnahme. Überhaupt fällt auf, dass die Welt jenseits der eigenen Szene nur in Form von „Überwachungstechniken, privatisierten Räumen, Innenstadtverboten für Randgruppen und zunehmender Individualisierung“ zur Sprache kommt. Kämpfe außerhalb der Szene werden nur am Rande erwähnt.

Auch bei der Beschäftigung mit den eigenen Strukturen dominiert Ernüchterung: „Viele selbst organisierte Projekte und Strukturen kämpfen ums Überleben. Wagenplätze, Hausprojekte, Sozial- und Kulturzentren, Infoläden oder nichtkommerzielle Kneipen und Betriebe passen nicht so recht in die Staatslogik“, heißt es im Aufruf zu den Autoorganisationstagen.

Doch mehr noch als der wirtschaftliche und politische Druck macht den Initiativen das Desinteresse in den eigenen Reihen zu schaffen. So erfreuen sich die zahlreichen alternativen und unkommerziellen Kneipen und Vereine in Friedrichshain in der Regel großer Beliebtheit. Doch als im vergangenen Jahr zahlreiche dieser Projekte für eine Woche schlossen, um auf ihre drohende Schließung durch immer neue Auflagen der Ordnungsämter hinzuweisen, wechselten die meisten Besucher achselzuckend in die kommerziellen Nachbarkneipen.

Auch die Autoorganisationstage selbst sind von der Sinnkrise der Bewegung nicht verschont geblieben. Vor zwei Jahren, an Ostern 2004, fanden sie das erste Mal statt – nach langer Vorbereitung und mit bundesweiten Anspruch. Bei der Nachbereitung war man sich damals allerdings nicht einig, ob sie eher ein Erfolg oder ein Flop waren.

Beim zweiten Mal macht man aus der organisatorischen Schwäche eine Tugend und erklärte die Aktionstage gleich zum Praxistest in Sachen Selbstorganisation. Die OrganisatorInnen sorgen nur für die Räume und die allernotwendigste Infrastruktur. Wer Arbeitsgruppen oder Workshops anbieten wollte, konnte die mit Hilfe eines Wikipedia-Programms selbst auf der Internetseite www.autoorganisaton.org eintragen.

Heute will man sich dann aber doch noch einmal den äußeren Gegnern zuwenden und „für mehr linke Freiräume“ demonstrieren. Der Treffpunkt ist die von Räumung bedrohte Wagenburg Schwarzer Kanal in Mitte. Weitere selbst organisierte Aktivitäten sind denkbar: Während der ersten Autoorganisationstage wurden – wenn auch nur für Zeit – mehrere Häuser besetzt.

Das Programm im Internet unter www.autoorganisaton.org