Bush kommt sein Hirn abhanden

US-Präsidentenberater Karl Rove, genannt „Bushs Gehirn“, tritt in die zweite Reihe. Mit einem großen Personalkarussell versucht Bush, seine Präsidentschaft wiederzubeleben

WASHINGTON taz ■ „Das Weiße Haus schaltet um auf Survival-Modus“ titelte die Washington Post einen Tag, nachdem US-Präsident George Bush seinen Führungsstab auswechselte. Und das sagt schon fast alles. Denn die Personalrochade der Administration wird als Verzweiflungstat einer ausgelaugten und krisengeschüttelten Regierung interpretiert. Sozusagen ein unausgesprochenes Eingeständnis der innenpolitischen Probleme Bushs. Und dies sind die neuen Namen: Der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, trat am Mittwoch zurück. Karl Rove, der stellvertretende Stabschef im Weißen Haus und Bushs rechte Hand, wurde schlichtweg seiner politischen Aufgaben entbunden. Zwar bleibt der als strategischer Kopf der Administration bekannte Rove weiter im Stab, soll sich aber künftig vor allem um „strategische Fragen“ der Republikanischen Partei und den Wahlkampf für die Kongresswahlen im November kümmern. Einen Wahlkampf, bei dem die Republikaner zunehmend blasser aussehen.

Seine Aufgaben soll nach Angaben des Weißen Hauses der bisherige Vize-Etat-Chef des Weißen Hasues, Joel Kaplan, übernehmen. Bush nannte Kaplan einen „sehr fähigen und erfahrenen Mann“. Schon seit geraumer Zeit wird auch die Ablösung von Finanzminister John Snow erwartet. Innenministerin Gale Norton hatte im März ihren Rücktritt erklärt. Ihr soll der Gouverneur von Idaho, Dirk Kempthorne, nachfolgen.

Mastermind dieser neuen Postenverteilung ist der an vergangenen Freitagnachmittag angetretene Stabschef Joshua Bolten, der nach fünf Jahren Andrew Card ablöste. Bolten, der wie die meisten der neu ernannten Spitzenberater bereits vorher im Weißen Haus tätig war, hatte von Bush den klaren Auftrag erhalten, eine Neuformierung der Regierung und des Führungszirkels des Präsidenten sowie der Regierung zu orchestrieren. Bolten selbst ernannte am Dienstag den Chef-Unterhändler in Handelsfragen, Rob Portman, zu seinem eigenen Nachfolger als Haushaltsdirektor.

Beobachter sagen, dass Boltens Weißes Haus klarere Hierarchien haben und dafür Einzelnen weniger Spielraum zu freien Entscheidungen lassen wird. Es wird zudem vermutet, dass Bolten eine aktivere und einflussreichere Rolle in der Innenpolitik spielen werde als sein Vorgänger Card. Ihm wird nachgesagt, er sehe seine Vorbilder eher in den Stabschefs früherer Administrationen, die nicht nur den Präsidenten, sondern gleich das ganze Weiße Haus bis hin zu den Kabinettsmitgliedern managten.

Der „Frühjahrsputz“, wie ihn gleich zahlreiche Blogger nannten, soll der US-Öffentlichkeit und dem Kongress deutlich sagen, dass im Weißen Haus wieder ein anderer Wind weht, hofft Bolten. Gleichzeitig stammen die Neuen alle aus dem Mitarbeiterstab der Machtzentrale, weswegen von völligem Neuanfang – und möglicherweise von einer anderen Politik in den verbleibenden 1.000 Tagen – wohl keinesfalls die Rede sein kann. Beobachter waren sich gestern einig, dass das Personalkarussell in erster Linie dazu diene, Stärke zu beweisen, um das Vertrauen in die Führungskompetenz eines angezählten Präsidenten wieder herzustellen.

Hintergrund der Veränderungen sind die ins Bodenlose sinkenden Umfragewerte. Zuletzt bei schlappen 38 Prozent, befindet sich Bushs Popularität auf einem historischen Tiefststand. Große Unzufriedenheit erregen Themen wie der Irakkrieg, der Umgang mit illegalen Einwanderern oder die Staatsverschuldung und der katastrophale Zustand des Gesundheitssystems.

Sechs Monate vor den Kongresswahlen ist die Republikanische Partei innerlich zerstritten und gespalten. Die Beziehungen des Weißen Hauses zu den republikanischen Kongressabgeordneten sind eher schlecht. Die größte Veränderung, da sind sich Beobachter sicher, ist die Zurückbeorderung Karl Roves an den Strategentisch. „Er ist der beste Denker in unserer Partei. Das ganze letzte Jahr aber musste er sich um den Papierkram und den Zeitplan des Präsidenten kümmern“, sagte ein Mitarbeiter aus dem Weißen Haus der Washington Post. Er halte die neue Postenverteilung für geglückt, denn nun habe Rove endlich wieder Zeit, die entscheidenden Kongresswahlen vorzubereiten. ADRIENNE WOLTERSDORF