also von daher … von WIGLAF DROSTE
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Anfang April schob taz-Leser Peter Sinram einen Hilfeschrei in die Elektropost: „tazmag vom Wochenende, Abdruck des Rühmkorf-Vorworts zu Bettina Röhls Elternbewältigungsbuch, dazu ein ‚Rühmkorf-Glossar‘ von Jan Feddersen, im letzten Abschnitt der Satz: ‚Das Buch ist ein ultrasupres Dokument …‘ – Ultrasupres! Die Erde tut sich nicht auf, um den Urheber einer derartigen sprachlichen Missgeburt zu verschlingen. Ich bitte um Hilfe – mit ‚ultrasupres Dokument‘ darf man nicht durchkommen!“

In einem Punkt hat Peter Sinram recht: Die Sprachschänderverschlingungsqualitäten der guten, alten Erde lassen stark zu wünschen übrig. Sinrams Aufruf verhallt zwar nicht gänzlich ungehört, aber doch nahezu wirkungslos. Zeitungsschreiber kommen mit allem durch, da hilft die etwas in die Jahre gekommene Wunsch- und Schutzbehauptung „No pasaran!“ auch nicht. (Die von Publizisten wie Michael Rutschky längst mit „Kein Parmesan“ übersetzt wird – womit Rutschky explizit meint, dass der Osten Deutschlands erst dann „zivilisiert“, vulgo ihm wohlgefällig sein wird, wenn ihm in jeder Dorfklitsche an der Ostsee der Pansemannkäse ungelenk auf den Designerteller gehobelt wird. Denn erst wenn alles so identisch heruntergekommen ist wie er selbst, ist für Rutschky und die Seinen alles schön und wird wangengetätschelt.) Journalist in Deutschland wird, wer kein Deutsch kann – das ist seine Qualifikation, und zwar die einzige. So ist es geregelt.

Die von Sinram monierte Formulierung „ultrasupres Dokument“ ist so HIP und auf dem QUIVIVE sein wollend wie ihr Erfinder; zur Verteidigung dieses beknackten Fehlversuchs kann aber vorgebracht werden, dass er nur einmal in die Welt gestellt wurde und auch nicht das Zeug dazu hat, massenhaft wiederholt und wiedergekäut zu werden. „Ultrasupres Dokument“ klingt hässlich im Ohr und ist, bei aller Entschlossenheit zur völligen Inhaltsferne, enorm verschwurbelt. Das Ungetüm wird sich deshalb auf dem Phrasenmarkt nicht durchsetzen.

Trüber als solch missratene Wortschöpfungen stimmt die Sorte Sprachersatz, die sich wie Krebs verbreitet, und das auch in Kreise von Leuten hinein, die eigentlich Wert legen auf ihre Lingua, ihre Zunge, ihre MundArt, ihre Sprache. „Von daher …“, oder, übler noch, „Also von daher …“ ist so ein Krebsherd, der seine Metastasen massenhaft streut. „Von daher …“ leitet nicht die Antwort auf die Frage ein, aus welcher Richtung einer angereist ist; „Von daher …“ wird gebraucht als Synonym für „deshalb“, „darum“, „deswegen“.

„Von daher …“ geht überhaupt nicht, „Von daher …“ ist die Pest, von „Von daher …“ kriegt man Pickel – gerade weil die „Von daher …“-Epedemie auch ansonsten kluge und sprechkundige Menschen befällt. Die sitzen dann da und erzählen und erklären und begründen, und am Ende sagen sie: „Also von daher …“, in diesem grässlich gedehnten Pünktchen … Pünktchen … Pünktchen … Stil, in dem das Ungesagte plötzlich in den Rang eines Arguments erhoben wird.

„Von daher …“ ist die Lieblingsphrase der Denk- und Maulfaulen. Von daher bin ich sehr dafür, dass von deutschem Boden kein „Von daher …“ mehr ausgehen soll – jedenfalls nicht von mir aus.