Alibis gegen Spuren

KARLSRUHE/POTSDAM taz/afp/ap ■ Die wegen des rassistischen Mordversuchs in Potsdam festgenommenen Männer bestreiten die Tat. Generalbundesanwalt Kay Nehm setzt auf Zeugenaussagen, Spuren am Tatort und die Stimmen auf der Mailbox der Frau des Opfers. Ein Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe wollte gestern über den Haftbefehl entscheiden. Das Opfer, ein 37 Jahre alter Deutschäthiopier, schwebt weiter in Lebensgefahr.

Am Donnerstag waren ein 29 und ein 30 Jahre alter Mann festgenommen und tags darauf nach Karlsruhe geflogen worden. Sie werden beschuldigt, den Mann am Ostersonntag in Potsdam so lange geschlagen zu haben, bis er stark blutete und reglos am Boden lag. Der Familienvater liegt im Koma.

„Beide Beschuldigten haben bestritten, mit der Tat überhaupt etwas zu tun zu haben, und haben auch ein Alibi vorgelegt“, sagte Generalbundesanwalt Nehm. Die Mutter eines Verdächtigen sagte, ihr Sohn habe mit hohem Fieber im Bett gelegen. Nehm stellte fest, das Bestreiten der Tat sei ein „alltäglicher Vorgang“. Am Tatort seien auf Flaschenscherben Blutspuren gefunden worden, die nicht vom Opfer stammten. Ein DNA-Test solle nun zeigen, ob das Blut von den Verdächtigen stammt. Zudem haben die Ermittler die Aufnahmen von der Handymailbox der Frau des Opfers, auf denen Stimmen „Nigger“ und „Scheißnigger“ rufen.

In Potsdam demonstrierten am Abend ca. 4.000 Menschen gegen Fremdenhass. Das Teilnehmerspektrum reichte von empörten Rentern bis zu Nachbarn des Opfers. Oberbürgermeister Jann Jakobs rief zu Wachsamkeit auf: „Ich bitte Sie, achten Sie auf den alltäglichen Rassismus. Seien Sie aufmerksam im Alltag.“ Der Doktorvater des Opfers, Geyer, wies auf die große Bedeutung, die ausländische Wissenschaftler in der Region hätten. „Wir sind stolz auf ihre Arbeit. Aber wir sind als Arbeitgeber auch für sie verantwortlich. Wie sollen wir sie vor solchen Exzessen schützen?“

Nehm und Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) lieferten sich unterdessen einen verbalen Schlagabtausch. Nehm erklärte, es gebe bei der Tat erhebliche Verdachtsmomente für eine rechtsextremistischen Gesinnung. Schönbohm zweifelte einen fremdenfeindlichen Hintergrund hingegen an. Die beiden Verdächtigen seien in keiner der bekannten rechtsextremistischen Organisationen Brandenburgs aktiv gewesen. Laut Presseberichten soll einer der Täter der rechtsextremen Szene nahe stehen.

Nehm wiederum rügte, dass Schönbohm noch vor den Festnahmen eine heiße Spur vermeldet hatte. Die Äußerungen von Innenministern seien „nicht unbedingt hilfreich“ für die Ermittlungen. Das Eingreifen des Generalbundesanwalts sei juristisch höchst fragwürdig, gab daraufhin der Brandenburger CDU-Generalsekretär zurück. Der Minister und der Chefermittler fetzten sich schon bei früheren Ermittlungen gegen Rechtsextremisten.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) löste mit der These, die Abschottung in der DDR sei für Ausländerfeindlichkeit in den neuen Ländern verantwortlich, Kritik auch im eigenen Lager aus. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, die meist jugendlichen Täter seien vielfach in der wiedervereinigten Bundesrepublik groß geworden und hätten mit der DDR „nichts zu tun“ gehabt.

LÖW, MH, AGX