Linkspartei: Einkommen auch ohne Arbeit

Bei den Linken meldet sich vor dem Parteitag eine neue Gruppe zu Wort: Sie will ein Grundeinkommen für alle

BERLIN taz ■ Es flogen die Fetzen. Mitte März ging es in der Bundestagsfraktion der Linken mal nicht um die Menschenrechte auf Kuba, sondern um das Grundeinkommen. Eine Gruppe um die sächsische Bundestagsabgeordnete Katja Kipping (27) will, dass die Partei für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle eintritt. Doch vielen Genossen geht ein individueller Rechtsanspruch auf Geld ohne Arbeit zu weit. Skeptisch sind auch gewerkschaftsnahe WASG-Abgeordnete. Die Fraktion votierte knapp mit 20 zu 18 für das Grundeinkommen. Katja Kipping und die sächsischen Landtagsabgeordneten Julia Bonk (19) und Caren Lay (33) haben vor dem am Wochenende in Halle stattfindenden Parteitag ihre Thesen zusammengefasst. „Freiheit und Sozialismus – Let’s make it real. Emanzipatorische Denkanstöße für eine neue linke Partei“, so der ziemliche wuchtige Titel des Papiers. Die Gruppe versteht sich als dritte Kraft in der Partei und will sich weder den Regierungsrealos noch den linken Fundis zurechnen lassen.

Die Linkspartei müsse sich von „ökonomistischen Verkürzungen“ verabschieden und die „individuelle Freiheit“ betonen, die in der sozialistischen Geschichte oft zu kurz gekommen sei. Kritisiert werden vor allem die Normen der Arbeitsgesellschaft. „Es ist nicht die Aufgabe einer modernen Linken, unkritisch in den Chor ‚Arbeit muss her‘ einzustimmen“, so die Autorinnen. Wenn Arbeit knapp werde und die Produktivität steige, stehe „die Entkopplung von Erwerbsarbeit und Existenzsicherung“ an, also ein Grundeinkommen für alle „ohne Arbeitszwang und Bedarfsprüfung“. Das Papier ist stark von Autoren wie André Gorz („Abschied vom Proletariat“) und Wolfgang Engler („Bürger, ohne Arbeit“) inspiriert.

Zudem soll sich die Linkspartei von dem patriarchalen „Ernährermodell“ verabschieden, das „Grundlage des Sozial-, Steuer- und Arbeitsrechts“ sei. Es sei nicht nur eine „Diskriminierung von Frauen – es ist der Pluralisierung der Lebensentwürfe nicht mehr angemessen“. Konkret fordern die drei Autorinnen die Abschaffung des Ehegattensplittings, das die Hausfrauenehe subventioniere.

Die Autorinnen wollen einen stärkeren Sozialstaat. Dafür sollen die Sozialsysteme künftig weniger über die Lohnnebenkosten als „über die Besteuerung von Vermögen und Gewinnen“ finanziert werden. Diese Forderung findet sich, allerdings vager formuliert und schon wieder halb dementiert, auch anderswo: im neuen SPD-Programmentwurf. STEFAN REINECKE