„Die Berliner haben Tatsachen geschaffen“

WASG-Chef Klaus Ernst sieht nach dem Berliner Alleingang das gemeinsame linke Projekt auf der Kippe

taz: Herr Ernst, mit der Einheit der neuen Linken scheint es nicht mehr weit her. Hat das persönliche Konsequenzen für Sie?

Klaus Ernst: Nein, ich werde weiter für die gemeinsame Linke arbeiten. Die Richtung der Partei entscheidet letztlich der Bundesparteitag. Falls der entscheidet, dass der Parteibildungsprozess gestoppt wird, dann muss diese Frage neu überdacht werden. Richtig ist: Eine solche Parteitagsentscheidung würde den Willen von Wählern und Mitgliedern nicht respektieren.

Ist die gemeinsame Bundestagsfraktion in Gefahr?

Nein. Gutachten bescheinigen uns, dass wir da nichts befürchten müssen. Aber das Entstehen der neuen Bundespartei wird durch den Konkurrenzantritt der Berliner WASG natürlich extrem behindert. Und in Berlin ist der Parteibildungsprozess damit gescheitert. Mit gravierenden rechtlichen und organisatorischen Auswirkungen für die Lage in der Hauptstadt.

Was ist im Bundesvorstand falsch gelaufen?

Der Bundesvorstand hat seine Möglichkeit nicht genutzt, die Wahlanmeldung der Berliner zurückzuziehen. Der dortige Landesverband hat mit dem Einreichen der Landesliste gestern Tatsachen geschaffen.

Hat der Bundesvorstand sein Pulver gegen die Berliner WASG verschossen?

Das letzte Wort sollte eigentlich der anstehende Bundesparteitag behalten. Deshalb hätte der Bundesvorstand die Wahlanmeldung zurückziehen müssen. Jetzt, da die Berliner eine Kandidatenliste eingereicht haben, kann auch ein Beschluss des Bundesparteitags rechtlich keine bindende Wirkung mehr entfalten. Der Parteitag hätte diese Entscheidung nur treffen können, wenn der Bundesvorstand ein Einreichen der Kandidatenlisten verhindert hätte.

Gibt es für Ihre Position auf dem Bundesparteitag denn eine Mehrheit?

Da bin ich ganz zuversichtlich. Die Mehrheit der Partei hat sich in einer Urabstimmung für ein gemeinsames Projekt mit der Linkspartei entschieden. Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit der Delegierten diese Entscheidung respektiert. Im Übrigen wäre es auch ein Betrug am Wähler, der eigentlich bei der Bundestagswahl schon das gemeinsame Projekt gewählt hat. INTERVIEW: MATTHIAS LOHRE