Tendenz: optimistisch

Mit Teufelsaustreibungen, Liebesgeschichten, üblen Schurken und zünftigen Feiern treten beim Studentenfilmfestival „Sehsüchte“ in Potsdam ab heute internationale Nachwuchsfilmer an

VON DIETMAR KAMMERER

Kurz und gut hält länger: Heute Abend beginnt die (mindestens) zwölfte Auflage des internationalen Studentenfilmfestivals „Sehsüchte“ in Potsdam-Babelsberg. Bis zum kommenden Sonntag laufen in den Thalia-Kinos kurze Animations-, Dokumentar- und Spielfilme, die von Studierenden aus Filmhochschulen aller Welt eingereicht worden sind. Über 1.000 Bewerbungen haben die Programmkommission erreicht, 128 davon wurden fürs reguläre Programm des nach eigenen Angaben größten Studentenfilmfestivals Europas ausgewählt, weitere fünfundzwanzig Filme bilden den Länderschwerpunkt Russland. Im Rahmenprogramm versprechen die Veranstalter zudem Podiumsdiskussionen, offene Treffpunkte und zünftiges Feiern.

Wollte man als Stimmungsbarometer die Titel der Filmblöcke heranziehen, unter denen die Beiträge wie immer thematisch lose gruppiert werden, sind die Optimisten („Hoch hinaus“, „Neu geboren“, „Der Sonne entgegen“ u. a.) gegen die Pessimisten („Shit happens“, „Leistungsdruck“, „Halbe Portion“ u. a.) in diesem Jahr mit zehn zu neun Titeln knapp im Vorteil. Was nicht heißt, dass man im Block „Gott sei Dank“ nicht auch Erdbeben, Selbstmordversuche und Teufelsaustreibungen zu sehen bekommen würde.

Weniger ausgewogen ist leider die Verteilung der Herkunftsländer: Knapp die Hälfte der Beiträge stammt von deutschen Hochschulen. Ein wenig mehr Streuung hätte da gut getan. Wenigstens kann sich, wer auf den außereuropäischen Film neugierig ist, auf Filme aus Aserbaidschan, Australien, Singapur oder Chile freuen. Zudem eröffnet das Festival mit einem fulminanten Kurzfilm aus einem Nachbarland: „x2“ von Bartusz Paduch ist eine neunminütige Komprimierung der Konflikte zwischen den Jugendkulturen Polens – die Geschichte einer unerwarteten Begegnung zwischen einem Skin und einem Punk, die erkennen müssen, dass sie hinter den Insignien von Haarschnitt oder Schnürstiefeln schlicht zwei junge Männer sind, die einiges gemeinsam haben.

Romantischer geht es – wenig überraschend – in Frankreich zu, auch wenn das Liebespaar im Trickfilm „Quatrelle Love“ von Denis Chapon mit einigen ziemlich üblen Schurken zu kämpfen hat, bevor es endlich Richtung Sonnenuntergang geht. Wie sich die Russen auf die große Feier zur Jahreswende vorbereiten, hat Dmitrj Fokin in „A Holiday (Prasdnik)“ beobachtet: in solch hektischer Betriebsamkeit, als wenn’s kein Morgen gäbe. Der nächste Tag kommt aber trotzdem – mit Katerstimmung und Mineralwasser schwarzweiß statt Wodka bunt.

Vor mehr als dreißig Jahren organisierte man in Babelsberg zum ersten Mal eine „wissenschaftliche Leistungsschau“ unter den Filmstudenten. Erst später wurde man international, zunächst durch Einladungen an Regiestudenten aus „befreundeten Staaten“, ab 1985 schließlich durften auch westdeutsche Nachwuchsfilmer ihre Werke einreichen. Nach diversen Umbenennungen, Auflösungen und Neugründungen findet das Festival als internationaler Wettbewerb seit 1995 unter dem Titel „Sehsüchte“ statt.

Der Filmnachwuchs steht beim Festival nicht nur hinter oder vor den Kameras: Studierende der HFF „Konrad Wolf“ gestalten, programmieren und organisieren die „Sehsüchte“ gänzlich in Eigenverantwortung – Festivalorganisation als Teil des praktischen Studiums. Ein Rahmenprogramm ergänzt die Tage: Im „Cineastischen Quintett“ diskutieren am Donnerstag fünf Filmkritiker über Kurzfilme, am Freitag findet eine Podiumsdiskussion über Produktionsbedingungen und Marktchancen des osteuropäischen Films statt.

25. bis 30. 4.; das vollständige Programm plus Rahmenveranstaltungen ist unter www.sehsuechte2006.de abrufbar.