Vom Glück des Stillens

Im „Cicero“ beschwört Eva Herman ihre Geschlechtsgenossinnen, die Emanzipation links liegen zu lassen und sich wieder auf das Glück zu besinnen, das aus ihrem gebärfreudigen Becken kommt

VON COSIMA SCHMITT

Der Slogan soll provokant sein. Eva Herman, „Tagesschau“-Sprecherin, fühlt sich berufen zum Tabubruch. „Die Emanzipation, ein Irrtum?“, titelt sie im Magazin Cicero. Der Tenor ihres Essays: Beendet den ohnehin glücklosen Sturm ins Männerterrain Karriere. Zerreibt euch nicht zwischen Job- und Kinderpflichten. Besinnt euch lieber auf euer gebärfreudiges Becken. Die Emanzen zwangen euch ein Leben auf, dass euch von der kreatürlichen Bestimmung entfremdet. So die neue alte Botschaft.

Jahrelang war sie an Dorfstammtische oder Altherren-Runden verbannt. Nun erlebt sie eine neue Konjunktur. Den nötigen Vorwand lieferte die aktuelle Debatte um eine geburtenschwächelnde Nation. Auf einmal ist es salonfähig, Errungenschaften in Frage zu stellen, die allzu viele offenbar nie als Errungenschaften empfunden haben: Die Entwicklung einer Gesellschaft, die in einer Frau mehr sieht als die potenzielle Gebärerin. Und die ihr und ihm gleiche Teilhabe ermöglichen will, im Firmenbüro wie an der Babywiege.

Was überrascht, ist die Offenheit, mit der all dies auf einmal thematisiert wird – auch von einer Frau, die es eigentlich besser wissen müsste. Jahrzehnte der Emanzipation konnten einen Gedanken offenbar nur schwach verwurzeln: Dass Frauen wie Männer Anspruch auf beide Lebensphären haben, den öffentlichen Raum wie das private Heim. Ungeniert reduziert Herman das Frauendasein auf „die ihr von der Natur zugedachten Aufgaben“, bei deren Überschreitung die „Entweiblichung“ drohe.

Die Konjunkturflaute mag ihren Teil beitragen zum neuen Aufschwung der alten Idee. In Zeiten eines Arbeitsmarkts, der Millionen Menschen den Sinngeber Job verweigert, wird der freiwillige Rückzug ins Nest Familie wieder attraktiv. So verständlich dieser Lebensentwurf also für die einzelne Frau sein mag – ihn als Modell zu propagieren, ist ein Irrweg. Natürlich ist es richtig, die Leistung, die eine Vollzeitmutter erbringt, angemessen zu würdigen, im gesellschaftlichen Ansehen wie im Rentenbescheid. Nur darf das nicht den Blick darauf verstellen, woran es in Deutschland wirklich mangelt: an einer fairen Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau. Wir brauchen eine Gesellschaft, die als Vaterpflicht nicht nur das Kontofüllen definiert. Denn nur so lassen sich gleich zwei Übel vermeiden: Dass Einser-Diplomandinnen ihr Wissen am Wickeltisch verfallen lassen. Und dass der Berufstätigen das Modell der Supermom aufgebürdet wird, die allzeit übermüdet von der Konferenz zur Kita hetzt.

Noch aber überdauert die Idee, dass sie die Hauptverantwortliche fürs Kinderwohl ist. Dies zeigt auch die aktuelle Politdebatte. Die Idee des Kitaausbaus wird noch recht bereitwillig akzeptiert – ist dies doch ein Projekt, dass Männer nicht in ihren Lebensentwurf beeinträchtigt. Anders das Elterngeld mit den „Papamonaten“: Dass zwei von zwölf Monaten staatlich bezahlter Babypause für den Vater reserviert sein sollen, erregte wütende Proteste. Ein Gesetz, das vorgibt, dass Männer mehr sein sollen als Feierabendväter – das ist heute die wahre Provokation. An dieser Front sollten die Frauen kämpfen. Und nicht freiwillig auf ein Leben verzichten, das ihnen die Chance auf mehrere Glücksstifter bietet – einen Job und ein Kind.