Atomare „Kaffeemaschine“ vom Netz

Der Reaktor José Cabrera östlich von Madrid wurde am Sonntagabend endgültig abgeschaltet. Das hat jedoch nichts mit einem generellen Atomausstieg Spaniens zu tun. Der ist zwar angekündigt, konkrete Vereinbarungen gibt es allerdings bislang nicht

AUS MADRID REINER WANDLER

Spaniens ältestes AKW ist vom Netz. Der Reaktor José Cabrera in Zorita, 80 Kilometer östlich der Hauptstadt Madrid, wurde am Sonntagabend um 23:36 Uhr endgültig abgeschaltet. Spanien verfügt damit noch über sechs AKWs. Sie produzieren 23 Prozent des spanischen Energiebedarfs.

Mit dem Kraftwerk in Zorita geht eine lange Geschichte voller Zwischenfällen zu Ende. Der seit 1968 arbeitende Reaktor war ein mit US-Technologie für Schwellenländer gebautes AKW. Bereits in den ersten fünf Jahren verstrahlte das AKW die Umwelt. Aus den Abwasserrohren entwich weit mehr Radioaktivität als erlaubt. 1994 zählten die Techniker in der Hülle 171 Risse. Der Reaktor musste monatelang vom Netz. 1995 kam es zu einem Brand, bei dem Radioaktivität austrat.

2001 wurde bekannt, dass vier Sicherheitsventile nicht korrekt geschlossen waren, und ein Jahr später schlug der Reaktorkern beim Bestücken gegen die Reaktorhülle. Nach einer weiteren Reparatur stürzte eine Schraube in den Reaktorkern. Wieder wurde das AKW abgestellt. Als sich dann auch noch herausstellte, dass „die alte Kaffeemaschine“ – so die Regionalregierung von Castilla-La Mancha – die ganze Zeit mit einem viel zu kleinen Notkühlsystem gelaufen war, kam das endgültige Aus.

2002 beschloss die damalige konservative Regierung unter José María Aznar die Stilllegung nach 38 Dienstjahren. Die Betreiber forderten vergebens die volle Lebensdauer von 40 Jahren ausschöpfen zu dürfen. „Vollständig sicher“ sei Zorita. Bei einer Krebsquote in den anliegenden Dörfern, die viermal so hoch ist wie im Landesschnitt, wollte dies allerdings niemand so recht glauben.

In den nächsten neun Jahren soll der Meiler abgebaut werden. Das technisch schwierige Unterfangen soll 170 Millionen Euro verschlingen. Wohin mit den ganzen Abfällen, ist eine bisher ungeklärte Frage. Das Land verfügt nur über ein Endlager für schwach- und mittelaktive Rückstände. Wie es generell in Spanien mit der Atomenergie weitergehen wird, ist unklar. Zwar versprach die jetzt regierende sozialistische PSOE unter José Luis Zapatero im Wahlkampf den „schrittweisen Ausstieg“ aus der Kernenergie. Doch das wird bisher nicht umgesetzt. Seit Monaten tagt ein Gremium zum Thema. Neben zwei Vertretern der Ökobewegung sind dort die gesamte Atomlobby sowie das Industrieministerium vertreten. Die Verfechter der Atomenergie führen vor allem den hohen Ausstoß von Treibhausgasen für sich ins Feld. Kein Land verbucht einen so hohen Zuwachs an Klimagasen wie Spanien. Die Atomenergie sei die beste Alternative. Die Ökobewegung widerspricht dem. Der Erfolg der Windenergie in den letzten Jahren zeige den richtigen Weg. Acht Prozent des spanischen Energiebedarfs kommen bereits von Windmühlen überall im Lande. Spanien ist damit hinter Deutschland die Nummer zwei in Europa.

Mehrere Studien haben außerdem bereits gezeigt, dass es auf der Iberischen Halbinsel ein Leichtes wäre, das Land mit Sonnenenergie zu versorgen. Riesige Landesteile sind dank des heißen, trockenen Wetters praktisch unfruchtbar und nur sehr dünn besiedelt. Hier könnten große Sonnenkraftwerke ihren Platz finden.

Doch mit Ausnahme der Umweltministerin Cristina Narbona will die Regierung bisher davon nichts wissen. So stellte Industrieminister José Montilla jüngst klar: „Die Regierung wird eine sehr realistische, konstruktive und verantwortungsbewusste Position einnehmen.“ Und diese Position werde nur wenig mit denen zu tun haben, „die ins Blaue hineinreden und nicht regieren müssen“, fügte er an die Ökobewegung gerichtet hinzu.

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