Wer kommt nach Paul Spiegel?

BERLIN taz ■ Vier Wochen dauert die Trauerzeit im Judentum – in diesen Wochen wird keine Entscheidung darüber fallen, wer Paul Spiegel als Präsident des Zentralrats folgen soll. Und über mögliche Nachfolger zu reden, gilt während dieser Zeit ebenfalls als ziemlich pietätlos.

Dennoch liegt die Nachfolgefrage auf dem Tisch, da das Amt des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland von einigem politischem Gewicht ist. Und auch wenn die Spitzen der Volkskirchen in Deutschland um öffentliche Worte der Würdigung für den Verstorbenen gebeten werden, sei daran erinnert, dass der Zentralrat keine religiöse, sondern eine politische Institution ist: Sie vertritt das Judentum in (gesellschafts)politischen, nicht in religiösen Fragen.

Insofern braucht es einen politischen Kopf an der Spitze des Zentralrats, der für etwa 120.000 Jüdinnen und Juden in der Bundesrepublik spricht. In den 87 Gemeinden, die über ihre Landesverbände dem Zentralrat angeschlossen sind, gibt es einige, denen das Amt zugetraut wird – zu den Favoriten aber gehören:

Zum einen Salomon Korn, geboren 1943. Der Frankfurter Architekt ist seit drei Jahren Vizepräsident des Zentralrats und hat sich in dieser Zeit als kluger, sprachmächtiger und scharfsichtiger Beobachter der gesellschaftlich-politischen Entwicklungen in Deutschland profiliert. Es gilt jedoch als zweifelhaft, ob Korn wirklich große Neigungen verspürt, den stressigen Job als Zentralratspräsident zu übernehmen – auch weil dies mit einer ständigen Begleitung durch Personenschützer und öffentliche Beobachtung einhergeht.

Chancen werden auch Charlotte Knobloch, geboren 1932, eingeräumt. Auch sie ist Vizepräsidentin des Zentralrats und leitet zugleich die Jüdische Gemeinde in München. Für die Münchner Ehrenbürgerin spricht, dass sie noch zu Opfergeneration des Holocausts gehört (wie Paul Spiegel wurde auch sie versteckt). Sie kann so einen wichtigen Teil der Gemeinden repräsentieren – vielleicht als Letzte. GES