Der Discounter am Himmel

Erfolg durch Billigflüge: Seit der Gründung 1979 hat sich Air Berlin zur zweitgrößten Fluggesellschaft in Deutschland entwickelt

BERLIN taz ■ Wer im Callcenter der Fluggesellschaft Air Berlin in der Warteschleife hängt, hört diesen Song: „Flugzeuge im Bauch / im Blut Kerosin / kein Sturm hält sie auf / unsere Air Berlin.“ Eigentlich wollte die Billig-Airline heute an die Börse fliegen – um mit dem Geld der Anleger zu wachsen. Gestern Nachmittag hat sie den Börsengang dann doch verschoben. Die Zeichnungsfrist für Air-Berlin-Aktien wurde bis zum kommenden Mittwoch verlängert.

Wertpapier-Experten hatten bereits seit Wochen kritisiert, dass die Preise für die Aktien zu hoch seien. Offenbar hielt sich das Interesse an der Neuemittierung deshalb in Grenzen. Daran konnte auch die PR-Arbeit der Fluggesellschaft wenig ändern.

Das Firmenliedchen erfüllt zwei Funktionen. Die Mitarbeiter, die unter vergleichsweise harten Bedingungen ihr Geld verdienen, sollen sich als Teil eines erfolgreichen Ganzen fühlen. Das Gleiche gilt für die Kunden, die emotional gebunden werden sollen. Neben institutionellen Anlegern hofft Air Berlin vor allem vielfliegende Kunden als Aktionäre zu gewinnen. Mit dem Geld der Aktionäre will sich Air Berlin Flugzeuge kaufen und neue Märkte erschließen, vor allem Osteuropa und Skandinavien.

Auf zwei Arten können Billigflieger neue Kunden gewinnen: zum einen, indem sie Routen aufbauen, die neue Ziele anfliegen; zum anderen, indem sie Passagiere von traditionellen Fluggesellschaften abwerben. Steigende Ölpreise und Überkapazitäten in der Branche belasten allerdings die Aussichten.

Die Billigflieger – deren Aufstieg eng mit dem von Air Berlin verbunden ist – haben ein neues Discount-Produkt im Flugverkehr geschaffen. Ähnlich wie Einzelhandelsketten wie Aldi oder Lidl bieten sie Massenprodukte – hier den Transport von A nach B – mit einem günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis an. Der geringe Preis lässt sich durch große Mengen und reduzierten Service halten – und er geht auf Kosten der Beschäftigten. Zudem profitieren die Fluggesellschaften davon, dass das Kerosin steuerfrei ist – die Fliegerei wird so zu Lasten der Umwelt bevorzugt.

Air Berlin, 1979 gegründet, hat es mittlerweile zur Nummer zwei in Deutschland gebracht und beschäftigt rund 2.700 Menschen. 2005 wurden 13,5 Millionen Passagiere befördert, eine Steigerung von knapp 12,5 Prozent. Rote Zahlen wurden dennoch geschrieben; für Air-Berlin-Sprecher Peter Hauptvogel sind die Verluste aber vor allem „buchhalterische“. Air Berlin habe nie staatliche Subventionen erhalten und plane dies auch nicht. „Wir haben einen guten Markennamen und wollen weiter wachsen.“ Dafür hat Air Berlin die Rechtsform geändert. Anstelle einer deutschen GmbH ist nun eine Public Limited Company nach britischem Recht Komplementärin der deutschen KG. Diese Gesellschaftsform erleichtere die Kapitalbeschaffung, heißt es.

Mit der Konstruktion werde die in Deutschland geltende Mitbestimmung der Beschäftigten ausgehebelt, kritisiert Ver.di-Experte Steffen Kühhirt. „Das ist inakzeptabel.“ Neu ist dies aber nicht, hat die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung in einer Untersuchung herausgefunden. „Solche Konstruktionen werden genutzt, seit es das Mitbestimmungsrecht gibt, und sind seit je rechtlich umstritten.“ RICHARD ROTHER