Parlament: Mehr Macht für alle

Im Parlament stellen die Parteien vor, wie sie die Verfassung ändern wollen: BürgerInnen kriegen wirksamere Volksbegehren, der Regierende mehr Macht. Und auch die Abgeordneten bekommen bald mehr Informationen

Mehr Macht für alle – so könnte der Titel der geplanten Verfassungsänderung lauten. Die Fraktionen haben gestern im Parlament die Verfassungsreform besprochen, die die Bürgermitbestimmung, die Rechte von Abgeordneten und die Macht des Regierenden Bürgermeisters stärkt. Besonders an wirksameren Volksbegehren hatten die Fachpolitiker lange getüftelt: Künftig sind zum Beispiel Volksbegehren zugelassen, die sich auf den Haushalt auswirken. Für den Antrag auf ein Begehren sind nur noch 20.000 Unterschriften nötig, bisher sind es 25.000. Das Quorum wird von 10 auf 7 Prozent reduziert. Bei Instrumenten wie der Volksinitiative werden die Hürden ebenfalls gesenkt.

Die Parteien wollen aber nicht nur mehr Demokratie in die Verfassung schreiben. Auch der Regierende Bürgermeister wird mehr Macht bekommen. Nach der Wahl im September wird der Regierungschef sein Team selbst aussuchen – indem er die Senatoren ernennt oder auch entlässt. Bisher wählt das Parlament die Regierungsvertreter. In der Vergangenheit hatten immer wieder einzelne Fraktionsmitglieder KandidatInnen anonym die Zustimmung verweigert und so vorgeführt. In Zukunft darf der Chef auch offiziell die Richtlinien der Regierungspolitik festlegen, ohne den Senat hinziehen zu müssen. Er bestimmt auch die Ressorts der Senatoren.

Nachdem der Antrag gestern eingebracht wurde, soll er schon am 18. Mai beschlossen werden. Auch damit die nötige Volksabstimmung parallel mit der Wahl stattfinden kann. Ermöglicht hatte die Verfassungsreform ein Tausch: Die Linkspartei wollte den Berlinern mehr Demokratie zubilligen, der SPD ist die Macht des Regierenden wichtiger.

Das Bündnis für Direkte Demokratie, ein Zusammenschluss von einem Dutzend Berliner Initiativen, kritisiert Punkte der Reform. So soll künftig zwar möglich sein, die Verfassung mit Volksbegehren zu ändern – die Hürden seien aber extrem hoch. „Die Parteien bewahren sich so die exklusive Verfügungsgewalt über die Verfassung“, sagte Bündnissprecher Christoph Bruch.

Auch die Abgeordneten dürfen durch die Reform mehr. In der neuen Verfassung soll es heißen: „Jeder Abgeordnete hat das Recht, Einsicht in Akten und sonstige amtliche Unterlagen der Verwaltung zu nehmen.“ Die Behörde darf dies nur verweigern, wenn dem „öffentliche Interessen einschließlich des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung“ entgegenstehen.

ULRICH SCHULTE