Darfur-Abkommen in letzter Minute

Sudans Regierung und Darfurs größte Rebellenfraktion einigen sich auf Kompromiss bei ihren Friedensgesprächen in Nigeria. Zuvor hatten USA und Großbritannien Zugeständnisse für die Rebellen erwirkt. Afrikanische Union: „Ein großer Tag für Darfur“

VON DOMINIC JOHNSON

Noch am Morgen sah es so aus, als seien die Friedensverhandlungen für Sudans Kriegsregion Darfur endgültig geplatzt. Die Rebellen, die seit 2003 gegen Armee und Milizen im Westen des Sudan kämpfen, hatten auch den veränderten Entwurf für ein Friedensabkommen abgelehnt, mit dem Vermittler aus USA und Großbritannien ihnen im Vergleich zu dem von ihnen zuvor abgelehnten ursprünglichen Entwurf der Afrikanischen Union (AU) hatten entgegenkommen wollen. Die sudanesische Regierung, die den AU-Entwurf akzeptiert hatte, war sowieso gegen die Veränderungen. Aus dem Verhandlungsort in Nigerias Hauptstadt Abuja hieß es daher gestern früh, die AU werde demnächst den Abbruch der Gespräche verkünden. Am späten Vormittag aber, in einer überraschenden Kehrtwende, erklärten erst die größte Rebellenfraktion und dann auch die Regierung ihr Einverständnis mit dem neuen Entwurf. Der Frieden für Darfur, oder zumindest der Anschein davon, ist nunmehr plötzlich gerettet – auf dem Papier.

Die Vermittler, so berichteten gestern Nachmittag Nachrichtenagenturen aus Abuja, klatschten und umarmten sich, nach einer Woche ständiger Nachtsitzungen. Dies sei „ein großer Tag für die Menschen in Darfur“, sagte Salim Ahmed Salim, Chefunterhändler der AU. Sudans Regierung beeilte sich, auf der Gewinnerseite Platz zu nehmen: „Wir hoffen, dass diejenigen, die das Abkommen ablehnen, nichts gegen seine Umsetzung unternehmen werden, denn wenn sie das tun, wird es eine robuste Antwort der AU und des UN-Sicherheitsrats geben“, sagte ein Sprecher.

Möglich wurde die Einigung durch das Einlenken der Mehrheitsfraktion von Darfurs größter Rebellenbewegung SLA (Sudanesische Befreiungsarmee), geführt von Minni Minawi. „Ich akzeptiere das Dokument mit ein paar Einschränkungen“, sagte der SLA-Führer. Es gehe darum, das Leid der Menschen in Darfur und das der SLA-Kämpfer zu beenden, fügte ein Sprecher hinzu.

Das Friedensabkommen beinhaltet die Einstellung der Kämpfe in Darfur, die Entflechtung der Armeen, die Entwaffnung der für ethnische Säuberungen verantwortlichen regierungstreuen Janjaweed-Milizen, die Eingliederung von Rebellen in die Regierungsarmee und Posten für Darfurs Rebellen in den Provinzregierungen der Region sowie der Zentralregierung des Sudan. Rebellenforderungen nach einer Regionalregierung für ganz Darfur und einem Vizepräsidentenposten in der Zentralregierung wurden abgelehnt. Gegenüber dem AU-Entwurf erhöht das jetzt unterzeichnete Abkommen allerdings die Zahl der für Darfur-Rebellen reservierten Plätze in Sudans Armee und Polizei erheblich – von 100 nach den bisherigen Vorstellungen der Regierung auf 4.000, mit bis zu 50 Prozent des Personals in neuen sudanesischen Armeeeinheiten in Darfur selbst. Das Abkommen sieht auch explizit die Entwaffnung und nicht mehr nur die Sammlung der Janjaweed-Milizen vor einer Integration der Rebellen in die Armee vor.

In Darfur sind seit Kriegsbeginn 2003 über 2 Millionen Menschen vertrieben und rund 200.000 getötet worden. Menschenrechtler melden seit Monaten verstärkte Kämpfe und Großoffensiven regierungstreuer Kräfte. Bei einem Zusammenbruch der Gespräche in Abuja war ein neuer allgemeiner Ausbruch des Krieges in ganz Darfur befürchtet worden.

Eine kleinere Fraktion der SLA, geführt von Abdelwahid al Nur, sowie die radikalere JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit), lehnen auch das revidierte Abkommen ab. Sudans Regierung hofft nun, diese Gruppen mit dem Segen der AU als Feinde des Friedens bekämpfen zu können. Diese Konstellation macht wenig Hoffnung auf ein wirkliches Ende des Krieges.