Grüne üben Selbstkritik

Nach dem Ende von Rot-Grün suchen die Grünen ihre Zukunft. Die erste Landeskonferenz in Oberhausen fiel so selbstkritisch aus, dass selbst Bundeschef Bütikofer in Sack und Asche ging

AUS OBERHAUSEN ANDREAS WYPUTTA

Die Grünen auf der Suche nach Zukunft: In Oberhausen haben gestern auf Einladung der neuen Landesvorsitzenden Daniela Schneckenburger und Arndt Klocke mehr als 400 Mitglieder den künftigen Kurs der Partei diskutiert. Landeschefin Schneckenburger sprach von einer „überragend guten Resonanz“. Auch nach dem Machtverlust in Land und Bund seien die Grünen „nicht verzagt oder gar resigniert“.

Dennoch überwog Selbstkritik. „Endlich“ diskutiere ihre Partei wieder grundlegend, freute sich Katharina Dröge, Sprecherin der grünen Jugend NRW – die Jugendorganisation hatte im Vorfeld der „Zukunftskonferenz“ ein Papier lanciert, das den „neoliberalen Mainstream vieler grüner Spitzenpolitiker“ scharf angreift (taz berichtete). Angesichts der unter vielen Jugendlichen verbreiteten „Zukunftsangst“, so Dröge, sei ein Bekenntnis zu einem „ermutigendem Sozialstaat“ überfällig. Politische Fehler wie Hartz IV dürften nicht länger totgeschwiegen werden.

„Keine Schonung“ versprach auch das Impulsreferat von taz-Chefredakteurin Bascha Mika: Die Partei wirkte „kaum interessant“, sei gerade auf Bundesebene nur „mäßig präsent“. Die grünen Positionen würden „mitnichten“ als relevant eingestuft. Dabei sei die mangelnde Kampagnenfähigkeit zum Teil selbstverschuldet. Selbst zum 20. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe sei die Stimme des einstigen parlamentarischen Arms der Anti-Atom-Bewegung nicht klar zu hören gewesen, so Mika. Wenig überzeugend sei auch die Positionierung gegenüber der vereinigten Linkspartei und der großen Koalition: „Die Grünen haben Hartz mit verbrochen, aber der Irrsinn geht doch weiter.“ Ein überzeugender Einsatz der Grünen für die Persönlichkeitsrechte von Arbeitslosen, deren persönlichste Lebensbereiche vom Staat durchleuchtet werden, fehle völlig. „Auch so verspielt man Zukunft“, warnte Mika.

Konfrontiert mit derart heftiger Kritik wollte selbst Bundesparteichef Reinard Bütikofer nicht den Zweckoptimisten geben. Dem Bündnis mit der SPD habe es gegen Ende der Regierung Schröder an Perspektiven gemangelt, räumte er ein. „Rot-Grün ging zu Ende, weil es am Ende war.“ Inhaltlich will der Realo Bütikofer die Grünen nun als Partei der „ökologischen Herausforderung, der sozialen Gerechtigkeit, der Freiheit und der Integration der Migranten“ positionieren. Fehler seien gerade in der Steuerpolitik gemacht worden – hier sei es nicht gelungen, genügend Mittel in den Bildungsbereich umzulenken. Gerade bei den erneuerbaren Energien hätten sich aber Erfolge eingestellt.

Doch selbst die galten bei der Diskussion mit der Basis, die noch bis nach Redaktionsschluss andauerte, nicht als unumstritten. Landesparteichef Klocke nannte die Oberhausener Konferenz einen wichtigen Diskussionsauftakt: „Unsere Zukunftskonferenz soll in die Partei, in die Gesellschaft hineinwirken.“