Ein seufzender Patriarch

Norbert Bolz galt als liberaler Intellektueller. Nun aber hat er ein Buch geschrieben, in dem er sich als Anwalt der vom Feminismus gepeinigten Männer („Die Helden der Familie“) zu erkennen gibt – und die Biologie auf seiner Seite glaubt

von JAN FEDDERSEN

Er macht sich keine Illusionen, dieser Autor, nein, er weiß, dass die Entwicklung, die er lesbar beklagt, nicht zurückzuschrauben ist – und er bedauert dies, wenn er keine Konjunktive, keine Zitate vor sich aufgebaut hat, sehr. Norbert Bolz, geboren 1953, ist für die Achtundsechzigergeneration zu jung und die No-future-Allüren der späten Siebzigerjahre zu alt, ist aber viel zu schlau, um seine Schrift wie ein protestantisches Erbauungstraktat anzulegen. Der Mann ist schließlich ein Fellow des Soziologen Niklas Luhmann – also ein Beobachter, kein Moralist.

Was er zur Kenntnis genommen wissen möchte, ist dies: Die Misere der westlichen Welt ist eine, die im Chaos der Renovierung der Geschlechterverhältnisse gründet. Männer sind keine Männer mehr, weil Frauen so sein wollen wie sie. Beleg? Frauen wollen alles, nämlich Familie, Kinder, Beruf.

Die moderne Frau, exzellent ausgebildet und moralisch für alle Lebenswege ausgerüstet mit den Ermutigungen des Feminismus, braucht den Mann nicht mehr, den Versorger, den Ernährer, den Kämpfer der Außenwelt, der in der Innenwelt, seiner Familie nämlich, gehegt und gepflegt wird. Der Familienvater ist einer jener „Helden der Familie“, wie das Buch von Norbert Bolz betitelt ist, ein Jäger, ein Kämpfer im Dschungel des Lebens.

Bolz rechnet auf gut einhundert Seiten ab mit Zeitläuften, die er als aus dem Ruder gelaufen empfindet. Alles fällt unter sein Verdikt: die müßigen Diskussionen um die Geschlechterdifferenz, die Ehe als Liebeskonstrukt, die keine Versorgungsgemeinschaft mehr sein will, die Entbiografisierung der Menschen, die nur jugendlich zu sein beanspruchen und die Gesetze der Generationenfolge verletzen: Opas und Omas sind immer nur die anderen.

Auch nervt ihn die „schöne neue Frauenwelt“, die sich mütterlicher Kommunikationsstile verweigert, auch dass ein Mann jetzt schön sein muss, nicht mehr nur – eben! – ein Mann. Er ist das durch den Feminismus, durch Frauenversteherei kastrierte Wesen, das nicht mehr weiß, wozu es auf der Welt sein muss. Für die Reproduktion? Bolz nimmt auch diesem Argument den Boden: Nein, auch für die Kinderproduktion braucht es sie nicht mehr, denn es gebe ja Samenbänke … und lauter Frauen, die ohnehin lieber allein erziehend sind und auf Männer verzichten können und auch wollen.

Das mag als schriftlicher Nervenzusammenbruch eines um Atem ringenden Diagnostikers wie Mitläufers des Hier und Jetzt durchgehen – wie man es ähnlich auch bei Autoren wie Alexander Schuller, Gerhard Amendt, Frank Schirrmacher oder Udo Di Fabio lesen kann (siehe Kasten). Aber Bolz ist konsequenter als diese, er seufzt nicht nur, kommt mit Demografietabellen oder Zeitgeistbibeln wie „Die Kultur der Freiheit“. Der Medientheoretiker, geübt im Lesen von Oberflächen und dem, was sich unter ihnen verbergen könnte, verlegt sich auf einen Begründungszusammenhang, der seit Mitte der Sechzigerjahre kaum noch satisfaktionsfähig ist: den der Biologen, des Naturhaften, des „So ist es doch, gucken wir nur mal genau hin“.

Er hätte schreiben können, dass er es doof findet, wenn die Frauen nun auch noch auf den Arbeitsmärkten konkurrieren mit den Männern; dass es ihn ängstigt, wenn die Frau sich als solche in seinen Revieren tummelt; dass es ihm Furcht bereitet, wenn eine Frau ihm als Jägerin erscheint, nicht als Wild vor der männlichen Büchse.

Vielleicht wäre ihm ja mit einer Selbsthilfegruppe zu helfen gewesen, hätte er ein Bäuerchen gemacht, ein Rülpserchen, wie es manchen Säuglingen eigen ist, wenn sie satt sind und in der gleichen Sekunde bangen, ob es je wieder Nahrung geben wird. Dann hätte man ihm sagen können: Mensch, alles halb so wild; wir nehmen dir die Last, ein Mann sein zu müssen, du kannst dich anders kodieren, abschalten, mal die Beine hochlegen, dich beim Kochen entspannen und bei der Brutpflege.

Aber Bolz kann das nicht, ist in dieser Hinsicht ein lupenreiner Traditionsmann. Unsinn sei’s, sagt er, die Kinder früh in Krippen zu bringen, da doch verhaltensbiologische, anthropologische oder neurophysiologische Untersuchungen kristallklar belegen, dass das den Kindern weniger gut tut als das Leben mit der Mutter daheim, von ihr behütet, sacht ins gesellschaftliche Leben begleitet.

Unfug auch das Wort „Lebensabschnittsgefährte“, denn in dieser Vokabel, vor allem in ihr, sei die Crux begraben. Eine Ehe müsse mehr sein als ein Abschnitt, den man vom Couponstreifen des Lebens abreißt, sondern eine Verantwortungsgemeinschaft, die ihren Zweck aus sich selbst, dem Familiären zieht, nicht aus der Idee des Ex-und-hopp, in der die einzige Währung die der spontanen Attraktion ist: in guten wie in schlechten Zeiten bitte nicht schlapp machen!

Die politische Korrektheit – Bolz verwendet diese Floskel so häufig, als verberge sich hinter ihr eine konkretisierbare Macht – verbiete es aber, über das Naheliegende, also das in den biologischen Geschlechtern Begründete nachzudenken. Das fällt stark auf – und das ist auch der gedankliche, besser: gedankenarme Nährboden, aus dem alle Männer (und ja auch viele Frauen, siehe Eva Herman) ihre Argumente ziehen, so sie mit den Wirrnissen einer hoch differenzierten Geschlechterwelt hadern.

Rührend nur bei Bolz, wie angreifbar monochrom er die guten alten Zeiten schildert. Damals, wohl noch in den Fünfziger, Sechzigern, ehe die Frauen das Dirigat auszuüben lernten, sei alles schön gewesen und intakt und heil und sonntäglich. Für die Begründung der biologisch sinnhaften Unterschiede im Sexuellen zwischen Mann und Frau zieht er gar den Psychiater Hans Bürger-Prinz heran – und dessen Werk „Psychopathologie der Sexualität“, das aus dem Jahre 1953 stammt. Der Mediziner diente intellektuell übrigens auch schon während des Nationalsozialismus – als Verfechter heterosexueller Gesundheit.

Dabei müsste doch Bolz wissen, er liest doch viel, dass gesellschaftliche Verhältnisse sich ausfächern, wird auf juristischer Ebene moralischer Druck zum Entweichen gebracht. Die Scheidungsziffern stiegen an, als Frauen sich trennen konnten, ohne als (auch materiell) Aussätzige zurückzubleiben. Die Jägerinnenrate unter Frauen nahm zu, als vorehelicher Sex nicht mehr eine Übung war, die eine zur Nutte stempelte. Die Berufstätigkeit von Frauen stieg, als ihre Ausbildungen besser wurden – und sie, je nach Geschmack, plötzlich mehr als das Heim als ihre Welt entdecken konnten.

Männerwelt in Scherben

Kurzum: Die Männerwelt lag schon Ende der Fünfziger in Scherben, als gesetzlich verboten wurde, dass der Ehemann der Gattin den Job kündigen konnte, ob sie nun wollte oder nicht.

Aber die Biologe als Diskursfolie muss zu denken geben – das ist in dieser Krassheit neu, das kennt man sonst nur aus pietistischen Broschüren, die man am Rande von Kirchentagen auflesen kann. Vom Biologischen leben auch die christianisierenden Bewegungen in den USA, die aktuell ein ganzes Imperium moralisch in den Griff bekommen wollen – und in Bälde wohl auch das Abtreibungsrecht, wie die Sexualhistorikerin Dagmar Herzog von der Graduate Center der New Yorker Universität fürchtet.

Bolz disputiert freilich nicht christlich, aber seine Thesen sind kompatibel mit Fantasien, die das geschlechterdemokratische Rad zurückdrehen möchten. Mit erschwerter Scheidung, mit ungleichberechtigten Regelungen für den Fall einer gescheiterten Ehe, mit einem Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen.

Das wird Norbert Bolz, der vor drei Jahren das glänzende „Konsumistische Manifest“ gegen den Islamismus (und anderen religiösen Wahn) schrieb, gewiss nicht wollen. Stimmt ja, dass die Ästhetisierung aller Körper, auch der des Mannes, das Leben nicht leichter macht; dass die Liebe mehr ist als ein Reigen von Flitterwochen; dass Sex auch langweilig sein kann.

Gefühltes Unbehagen

Aber woher nimmt er, dass die Stärke der modernen Frauen das Wachsen des Homosexuellen begünstige? Die Zahlen geben das nicht her, das tut höchstens die „gefühlte Wirklichkeit“. Bolz ist ein liberaler Intellektueller – sein Buch könnte andeuten, dass der freisinnige Diskurs seit den späten Sechzigern an Kraft auch bei den Linken und Alternativen (die ja ohnehin immer leicht natürlichkeitsverliebt) verliert. Dabei ist alles nur eine Magenstimmung – ein Wutausbruch gegen eine Gesellschaftlichkeit, die an Eindeutigkeit verloren hat.

Am Schluss erzählt er unfreiwillig einen Witz. Das einzige Refugium des Mannes sei der Motorsport, genauer: die Formel 1. Die Welt der Schrauber und Mechaniker, der Gokart-Fahrer und Benzinfetischisten. Da würde noch gejagt, wie nur Männer jagen könnten – wenigstens gegen die Stoppuhr. Marktuntersuchungen (etwa von RTL) aber belegen: Auch Frauen mögen dieses Kreiseln und Brummen immer mehr. Ist nun auch dieses Reservat langsam in Gefahr?