PDS stimmt sich aufs Stillhalten ein

Auf ihrem Parteitag schweigen die Linksparteiler über drängende Probleme: Was wird aus Kultursenator Flierl? Was aus den Wohnungsbaugesellschaften? Und wie wird die Partei die WASG los? Die Genossen geben alles, um geschlossen zu wirken

VON MATTHIAS LOHRE

Die Ex-PDS ist eine disziplinierte Partei. Was Gremien und Parteiobere beschließen, daran halten sich die Delegierten gewöhnlicherweise. Der brave Parteisoldat schweigt. Diese Tradition kommt der Linkspartei derzeit gelegen, denn es geht darum, nach außen hin Ruhe zu demonstrieren. Auf ihrem Parteitag am Samstag verabschiedeten die GenossInnen ihr Wahlprogramm; die vielen strittigen Fragen ließen sie außen vor. Sie hatten keine andere Wahl.

Es ist Wahlkampf, und jeder Disput würde den SozialistInnen als Uneinigkeit angekreidet. Deshalb verabschiedeten die 124 Delegierten das 50-seitige Wahlprogramm mit den Schwerpunkten Arbeitsmarkt, Bildung und Erhalt der Landesunternehmen ohne lange Diskussion. Vor allem aber wissen die GenossInnen nur zu gut, dass sie die Regierungsbank möglicherweise nach der Wahl am 17. September räumen müssen. In Wahlumfragen liegen Linkspartei und Grüne seit Monaten Kopf an Kopf, derzeit bei rund 14 Prozent. Der Konkurrenzdruck ist enorm, und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) kokettiert offen mit einem rot-grünen Bündnis.

Deshalb bissen sich die 124 Delegierten lieber auf die Zunge, obwohl ihnen einiges schwer zu schaffen macht. Beispielsweise das Verhalten ihres Kultursenators Thomas Flierl. Hatte der Mann mit Vorliebe für abstrakte und letztlich unverbindliche Formulierungen doch vor zwei Monaten versagt, als er bei einer Podiumsdiskussion in Lichtenberg auftrumpfenden Ex-Stasi-Leuten Paroli hätte bieten müssen. Lange dauerte es, bis sich Flierl zu einer einigermaßen klaren Haltung durchrang. Der Schaden war da, das mühsam aufpolierte Image beschädigt. Obendrein ist Flierl kein Mann, dem die Herzen seiner GenossInnen zufliegen. Entsprechend matt war der Applaus, als der Senator am Samstag ans Rednerpult trat, um Erfolge seiner vier Amtsjahre aufzuzählen. Das Weiterbestehen der drei Opernhäuser gehöre dazu, ebenso die Wiedereinführung des Sozialtickets und die Verhinderung von Studiengebühren. Doch „ich weiß nicht, ob da schon das letzte Wort gesprochen ist“, sagte Flierl.

Zum Beweis seiner demokratischen Gesinnung führte er das weithin gelobte Gedenkkonzept zur Berliner Mauer an. Was sei mehr ein Beweis für seine Rechtschaffenheit, fragte Flierl die GenossInnen: der Fauxpas in Lichtenberg oder dieses Konzept? Doch als er nach seiner Rede beherzt von der Bühne sprang, kam ihm wieder nur schleppender Applaus entgegen. Als sich ein Delegierter für eine zweite Amtszeit des Kultursenators aussprach, war die Reaktion dieselbe. Abgerechnet, mochte das heißen, wird nach der Abgeordnetenhauswahl.

Ähnlich gingen die Delegierten mit der Frage um, was aus den mit fast acht Milliarden Euro verschuldeten Wohnungsbaugesellschaften werden soll. Insbesondere mit der von Insolvenz bedrohten Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM). Wirtschaftssenator Harald Wolf, zugleich designierter Spitzenkandidat seiner Partei, kündigte in seiner Rede an, man werde sich gegen „wilde Privatisierer“ bei SPD und Grünen an ein Sanierungskonzept wagen – in der kommenden Legislaturperiode. Das Land müsse auch künftig über eigene Immobilien als „steuerndes Instrument“ auf dem Wohnungsmarkt verfügen.

Die Sorge vor dem baldigen Machtverlust schien bei Wolf auch durch, als er den Alleingang der Berliner Wahlalternative verurteilte. Es sei „zynisch“, wenn die WASG-Konkurrenz zu einem Senat der „Hartz-IV-Parteien“ SPD und Grünen führte. Die linken KonkurrentInnen liegen in Umfragen derzeit zwar nur bei zwei Prozent. Die könnten der Linkspartei jedoch am Wahlabend zur Weiterführung von Rot-Rot fehlen.

Doch die LinksparteilerInnen können in diesem Konflikt nichts mehr bewegen. Sie müssen hoffen, dass der WASG-Bundesvorstand in dieser Woche einen Weg findet, seinen Hauptstadt-Landesverband vom eigenständigen Wahlantritt abzubringen. Wie gesagt: Die PDSler haben keine andere Wahl.