der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… der ganz spezielle, um den es hier geht, ist prominent, ziemlich prominent sogar. Die Menschen lieben oder hassen ihn, deshalb ist er ein gern gesehener Talkshow-Gast, so einer wie er möbelt jede Sendung auf. Dass er schwul ist, darf keiner wissen, da ist er Realist. Er würde sofort vom Sender fliegen, keine Zeile von ihm würde mehr gedruckt, kein Wort mehr ausgestrahlt. Der Kotau vor der Öffentlichkeit, die demutsvolle Geste eines „Ich bekenne, ich bin …“ kam nie für ihn in Frage.

Seine Homosexualität ist für ihn ein Unfall der Natur, mit dem sich aber leben lässt. Wenn er Sex haben will, hat er Telefonnummern parat, die er anwählt, um sich den einen oder anderen hübschen jungen Mann in ein fremdes Hotelzimmer zu bestellen. Bevor der gemietete Gast das Zimmer betritt, setzt sich unser Prominenter eine Maske auf und fühlt sich geschützt für die halbe Stunde danach. Unlängst geriet er so in Leidenschaft, dass die Maske verrutscht ist für einen Moment und sein Gesicht zu erkennen war. Seitdem ist er nicht mehr allein mit seinem Geheimnis, aber Schwule halten dicht.

Ein unwürdiges Spiel, möchte man meinen, und doch hält der Mann sich nur an die allseits gültige Verabredung mit der heterosexuellen Mehrheit: Was in meinem Schlafzimmer passiert, geht niemanden etwas an! Würdelos bleibt es dennoch, er kann noch nicht einmal von „seinem“ Schlafzimmer sprechen. Niemand entscheidet sich freiwillig dafür, derart seine Wünsche nach Zärtlichkeit, Sexualität und Liebe zu leben. Sich zu verstecken, sagte unlängst der schwule Schauspieler Ian McKellen, sei nicht gesund: „Man wird nicht glücklich.“ Wahrhaftigeres muss man dazu nicht sagen.

Die Lobbyisten einer besseren schwulen Welt werden jetzt einwenden, es habe sich aber doch vieles getan in den letzten Jahren. Wie ein Mantra werden sie die Geschichte von der Homo-Ehe aufsagen und anschließend die Namen prominenter Schwuler: Biolek! Kerkeling! Bach! Hermanns! Lindner! Morgenstern! Uecker! Wow!!! Was für eine Liste! Clowns allesamt, fahrendes Volk, Spaßmacher und Unterhaltungskünstler, und niemand dabei, den man ernst nehmen muss. Als Thomas Herrmanns unlängst die „Goldene Kamera“ erhielt und sich brav bei seinen Eltern bedankte und bei seinem Mann und dann allen 15-jährigen Schwulen im Lande zurief, dass man es durchaus zu etwas bringen kann, auch wenn man schwul ist, da fiel gar nichts ab von diesen anrührenden, hoch politischen Worten für die Berichterstattung am nächsten Tag.

Warum kennen wir nur U-Schwule und keine aus der E-Abteilung? Weil den Schwulen die Bühnenshow angeboren ist? Weil diese Gesellschaft nur den Hanswurst als Ausnahme gelten lässt, aber panische Angst hat vor jedem schwulen Bundesliga-Star und jedem schwulen Aufsichtsratsvorsitzenden? Ja, wir haben in Berlin einen schwulen Regiermeister, aber wird nicht genau diese Eigenschaft immer wieder genutzt, um ihn als flatterhaften Politiker zu denunzieren? Die Zahl derer, die sich täglich die Masken richten, ist ungebrochen hoch, ob im Hotel, im Büro, in der Familie, unter Freunden. Und würde auch nur einer übrig bleiben, einer wie unser Prominenter, der sich verstecken muss, wir hätten noch nichts erreicht.