Junge Straftäter sind intensiv deutsch

Eine Studie der Polizei belegt: 60 Prozent der jungen Intensivtäter haben einen deutschen Pass. Die Untersuchung widerspricht zudem der These, dass sich Mehrfachtäter im Verlauf ihrer „Karriere“ immer weiter brutalisieren

Eine neue Studie der Polizei über so genannte Intensivtäter widerlegt gängige Vorurteile: Die in der öffentlichen Diskussion häufig zu hörende Gleichsetzung von Immigration und Kriminalität sei falsch und zudem geeignet, bisher erreichte Integrationserfolge zu „gefährden und beschädigen“. Denn über 60 Prozent der Personen in dieser Tätergruppe besitzen eine deutsche Staatsbürgerschaft; an zweiter Stelle folgen junge Türken mit zirka 15 Prozent. Etwa 10 Prozent der Intensivtäter sind junge Polen. Noch geringer sei die Zahl der jungen Araber.

Als Intensiv- oder Vielfachtäter bezeichnet die an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege (FHVR) erarbeitete Untersuchung Personen, die zehn oder mehr Straftaten begangen haben. An der FHVR wird der gehobene Dienst der Berliner Polizei ausgebildet, Auftraggeber der Studie war die Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Für die gestern vorgestellte Studie wurden rund 430.000 Berliner Ermittlungsvorgänge aus den Jahren 1979 bis 2003 ausgewertet; als Täter registriert waren dabei knapp 99.000 Personen der Geburtsjahre 1972 bis 1977. Damit ist die FHVR-Untersuchung die umfangreichste deutsche Langzeitstudie auf diesem Gebiet.

Rund 5 Prozent der Heranwachsenden könnten aufgrund der Zahl und der Schwere ihrer Taten als Vielfachtäter bezeichnet werden, erklärten die Professoren Achim Cuipka und Claudius Ohder bei der Vorstellung der Studie. Das sind 4.875 Personen mit insgesamt 146.789 Straftaten. Viele von ihnen waren bereits im Kindes- oder Jugendlichenalter straffällig geworden. Die meisten Taten werden jedoch im Alter zwischen 18 und 20 Jahren begangen.

75 Prozent aller registrierten Straftaten von Kindern und Jugendlichen seien „Allerweltsdelikte“ wie Schwarzfahren, Ladendiebstähle, Graffiti-Schmierereien und Ähnliches. Insbesondere bei älteren Tätern gehören dann zwar auch schwere Körperverletzungen und andere Gewaltdelikte mit zum Gesamtbild, „sie prägen es jedoch nicht“, so die Professoren. Vielmehr sprechen die beiden Forscher von einer „Breitbandkriminalität“, zu der auch Sachbeschädigungen, Einbrüche, Betrug oder Drogenkriminalität gehörten. Die Studie widerspricht der in der Kriminalistik bisher favorisierten These, dass sich Täter im Laufe ihrer kriminellen Karriere immer weiter spezialisieren oder brutalisieren.

Besonders viele Straftäter kommen aus Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln oder Wedding und den östlichen Stadtteilen und Bezirken Köpenick, Lichtenberg und Marzahn. Insbesondere in Letzteren falle eine „deutliche Gewaltorientierung“ auf. Es sind also zumeist die Gegenden, die auch im Berliner „Sozialatlas“ nicht gut wegkommen.

In hoher Arbeitslosigkeit, mangelnden Freizeitangeboten und einseitigen Sozialstrukturen etwa an Schulen sehen die FHVR-Forscher denn auch die Hauptursache für ein Abgleiten der jungen Menschen in die Kriminalität. Die Polizei müsse daher neben der Strafverfolgung ihre täterorientierten und quartiersbezogenen Ansätze weiter ausbauen. „Die besten Beamten müssen in die belastetsten Bezirke“, fordert Achim Cuipka, früher selbst Kriminalbeamter. Aber auch Sozialarbeiter, Pädagogen und vor allem Politiker seien stärker gefordert, „damit keine Stigmatisierungseffekte entstehen“ und die polizeiliche Arbeit überhaupt erfolgreich sein könne.

Diese Forderung erhob auch die GdP. Man habe die Studie in Auftrag gegeben, um „die Diskussion zu versachlichen, nachhaltig zu führen und der Politik auf den Fersen zu bleiben“, sagte gestern GdP-Boss Eberhard Schönberg. Otto Diederichs