In die Schuldenfalle kann jeder tappen

Viele Arbeitslose sind bereits vor der Erwerbslosigkeit verschuldet. Hartz IV hat ihre Situation noch einmal deutlich verschärft. Wegen der hohen Schulden droht vielen Betroffenen bereits in kleinen Notlagen der Verlust der Wohnung

Sie haben kein Auto, keine Eigentumswohnung, keine Möbel mit einem Kredit gekauft – und dennoch können Sie im Fall der Arbeitslosigkeit in die Schuldenspirale geraten. Das jedenfalls ist die Erfahrung von Schuldnerberatungsstellen, die zudem von einem massiven Anstieg der Problemfälle nach der Arbeitsmarktreform Hartz IV berichten.

Denn für Arbeitslose beginnen die Probleme häufig schon vor der Erwerbslosigkeit. Oft zahlen insolvente Firmen in den letzten zwei, drei Monaten vor der Schließung keinen Lohn mehr. Wenn es dann noch Schwierigkeiten mit dem Arbeitsamt gibt, haben die Betroffenen schon mehrere Monate zu überbrücken, bis das erste Arbeitslosengeld kommt. Dafür muss in der Regel der Dispo-Kredit bei der Bank herhalten, für den horrende Zinsen zu zahlen sind. Wenn zudem das Arbeitslosengeld gering ist, weil zuvor schon der Lohn mager war, haben die Betroffenen kaum genug Geld, ihre laufenden Kosten für Wohnung, Ernährung und Zinsen zu decken – geschweige denn die Schulden abzubauen.

Sollten aus Arbeitslosen Langzeitarbeitslose werden, wird die Lage prekär. „Hartz IV ist ein Ausgangspunkt für die Überschuldung von Haushalten“, sagt die Vorsitzende des Berliner Arbeitslosenverbandes, Marion Drögsler. Sie ist auch Schuldnerberaterin in Marzahn-Hellersdorf. Arbeitslosengeld-II-Empfängern bleibe kein Geld, ihre Schulden zu regulieren – im Gegensatz zu den früheren Arbeitslosenhilfebeziehern, die teilweise mit der staatlichen Unterstützung für Langzeitarbeitslose gut auskommen konnten. Problematisch werde es zudem, wenn Arbeitslose ihre Verpflichtungen für Miete, Strom und Gas nicht erfüllten, weil ihnen Banken oder Inkasso-Unternehmen im Nacken säßen. „Das kann den Verlust der Wohnung bedeuten.“

Wenn das Geld nicht zum Leben reicht, ist mancher gezwungen, Schulden aufzunehmen. Das Problem betrifft nicht nur Erwerbslose, sondern auch Beschäftigte mit niedrigen Einkommen – gerade in Berlin und Brandenburg, wo in vielen Branchen Niedrigstlöhne gezahlt werden. Wie die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und die Linksfraktion im Bundestag fordert deshalb der Arbeitslosenverband die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes. Nach Ansicht des Verbandes sollten es 10 Euro pro Stunde sein; 2,50 Euro mehr, als die Gewerkschaft verlangt.

Hartz IV hat die Situation deutlich verschärft, sagt auch Ernst Ungerer, Vizegeschäftsführer der Berliner Verbraucherzentrale. Wer jetzt Unterstützung auf Sozialhilfeniveau erhalte, dem mache schon zu schaffen, wenn die Waschmaschine kaputtgehe. Ein Problem sei auch, dass viele Schuldner kein Konto mehr hätten. Für die Teilnahme am Wirtschaftsleben sei ein Konto unerlässlich. „Jeder Mensch muss das Recht auf ein Konto haben“, so Ungerer. Wie in anderen Ländern müssten die Banken gesetzlich dazu verpflichtet werden. RICHARD ROTHER

Die Schuldenproblematik diskutieren heute Abend Berater und Experten aus der Wirtschaft im Maxim Gorki Theater. Beginn: 21 Uhr, Eintritt frei