Senat kann auf Gericht bauen

Das Bundesverwaltungsgericht erspart dem Senat 2,4 Milliarden Euro. Die Leipziger Richter weisen eine Musterklage gegen Berlins Stopp der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau ab

VON MATTHIAS LOHRE

Im Kampf um 2,4 Milliarden Euro hat sich der Senat gegen mehrere Wohnungsunternehmen durchgesetzt. Das Bundesverwaltungsgericht entschied gestern in einem Musterprozess: Der umstrittene Stopp der Wohnungsbauförderung durch den rot-roten Senat war rechtens. Wohnungsunternehmen haben jetzt kaum noch Aussicht auf Landesgelder. Bei einer Niederlage vor Gericht hätte das Land an die Unternehmen 2,4 Milliarden Euro zahlen müssen.

Nach einer 15-jährigen Förderphase hatte der Senat im Jahr 2003 die so genannte Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau radikal beendet. Im Jahr 1987 hatte der damalige Senat Westberlins für den Bau von Wohnungen bis zu 30 Jahre währende Förderungen in Aussicht gestellt. In der eingeschnürten Frontstadt sollten so preiswerte Unterkünfte entstehen.

Zur zweiten Förderungsphase ist es durch das Nein des Senats nie gekommen. Grob gesagt besagt die Linie der Landesregierung: Aus Subventionen resultieren keine Rechtsansprüche. Wenn es die Finanzlage erfordert, darf Berlin sein Geld auch anderweitig ausgeben. Dieser Haltung haben sich die Leipziger Richter nun angeschlossen. Das Urteil betrifft knapp 28.000 Westberliner Wohnungen.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) fasste das Urteil als Bestätigung auf, „dass wir mit unserer Entscheidung richtig lagen“. Davon profitiere auch Berlins Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auf Haushaltshilfen. Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sprach von einem „Schlussstrich“ unter die insgesamt rund einhundert Klagen.

CDU-Landeschef Ingo Schmitt beurteilte den Ausstieg als rechtmäßig, aber „moralisch und sozial bedenklich“. Der Grünen-Haushaltsexperte Oliver Schruoffeneger fühlte sich in seiner Haltung bestätigt, „dass angesichts der extremen Haushaltsnotlage unkonventionelle Schritte notwendig sind“.

Anders sieht das der Anwalt des unterlegenen Wohnungsunternehmens, Ex-SPD-Bausenator Klaus Riebschläger: „Für viele Firmen ist das der wirtschaftliche Ruin.“ Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) befürchtet nun steigende Mieten und Leerstände bei etwa 25.000 Sozialwohnungen, da diese auf dem Markt kaum vermittelbar seien.

Hingegen begrüßte der Berliner Mieterverein das Urteil. „Der Ausstieg aus einem widersinnigen Fördersystem war überfällig“, sagte Hauptgeschäftsführer Hartmann Vetter. „Das ganze System der Wohnungsbauförderung war preistreibend. Je höher die Kosten der Wohnungsbaugenossenschaften waren, desto höher fiel die Förderung für die Sozialwohnungen aus.“

Viele Unternehmen hatten sich auf das Urteil vorbereitet. Frank Schrecker, Sprecher von 24 kooperierenden Wohnungsbaugenossenschaften, zeigte sich zwar enttäuscht. „Aber keine Genossenschaft wird deshalb in Konkurs gehen.“ Stattdessen werde man bei der Instandsetzung sparen und höhere Kosten auf die Mitglieder umlegen.